Kompass-AntiRa-Newsletter Nr. 55 – Doppelnummer Dezember 2016/Januar 2017

Kompass-Newsletter Nr. 55 – Dezember 2016/Januar 2017 (pdf)

+++ Ab 6.12. in Göttingen, Köln, Lübeck, Hamburg, Kiel und Berlin – Hotel City Plaza on Tour II +++ 10.12. in Frankfurt, Hildesheim, Bremen, Berlin: Demos gegen Abschiebungen nach Afghanistan +++ Balkanroute: Pushbacks überall +++ Röszke 11: 10 Jahre Haft im Schauprozess +++ Aufstand in bulgarischem Flüchtlingslager +++ Ausbruch nach Feuer im Abschiebeknast in Istanbul +++ Kampagne: You can`t evict Solidarity! +++ Zentrales Mittelmeer: Rekordjahr der Ankünfte +++ Neue Karte von Migreurop zu Internierungslagern und Hotspots +++ 7.1. in Dessau: Oury Jalloh – kein Einzelfall +++ 14.1. in Göttingen: Welcome2Stay +++ 21.1. in München: Für eine große gemeinsame AntiRa-Konferenz 2017? +++ 28.1. in Karlsruhe: landesweite AntiRa-Konferenz +++ Rückblicke: Protest gegen Valetta-Prozess, Protest gegen IMK in Saarbrücken, +++ Ausblicke: 10/11.2. Aktionstage zu Bleiberecht, Aufruf zum 18. März-Aktionstag
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Liebe Freundinnen und Freunde!

Als wir im letzten Newsletter die „Sanctuary Cities“, die Frage von Zufluchtsorten am Beispiel der USA zum Thema machten, hatten wir nicht ernsthaft damit gerechnet, dass Trump es wirklich schaffen könnte, zum Präsidenten gewählt zu werden. Dieser hat sich die Abschiebung von zwei bis drei Millionen Illegalisierten aus Mexico als eine der ersten Amtshandlungen auf seine rassistischen Fahnen geschrieben, eine Zuspitzung, die nun insbesondere die Sanctuary Cities (heraus)fordern wird.
Trumps Sieg wird nicht zuletzt die europäischen Rechtspopulisten weiter befeuern, die Polarisierung quer durch Europa – aktuell in Österreich und Italien, im Frühjahr in Frankreich – wird also aller Voraussicht nach weiter zunehmen. Gleichzeitig steht der EU-Türkei Deal vor dem Aus und alle Militarisierung des zentralen Mittelmeeres hat nicht verhindern können, dass schon Ende November die Rekordzahl der Ankünfte von 2014 überholt wurde. Über 170.000 Menschen haben es 2016 nach Italien geschafft, während nicht nur dort die Dublin-Verordnung mit aller Gewalt re-installiert wird. Dublin IV soll diese „europaweite Residenzpflicht“ 2017 massiv verschärfen, und da sich Geflüchtete und MigrantInnen erneut nicht daran halten und ihr Recht auf Freizügigkeit praktizieren werden, ist ein Chaos von Rückschiebeversuchen und massenhafter Entrechtung vorprogrammiert. EU-BürgerInnen, die aus den südöstlichen Krisenländern nach Nordwesten wandern, droht ähnliches, wenn sie nicht sofort Arbeit finden: sie werden – wie von SPD-Arbeitsministerin Nahles gerade vorangetrieben – ebenfalls von allen Sozialleistungen ausgeschlossen. Das Bild der nahen Zukunft: Hunderttausende, hin- und hergeschoben, im rassistisch strukturierten Multikosmos mit immer weniger bis gar keinen sozialen Rechten, pendelnd zwischen Armut und Niedrigstlohn…

„In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ Angesichts der sozialen Zuspitzungen sollte diese einfache und doch grundsätzliche Frage im kommenden Jahr neu, verstärkt und bewegungsübergreifend gestellt werden. Wir können und müssen die Antwort mit positiven, machbaren Entwürfen füllen und Offenheit, Inklusion, soziale und Klima-Gerechtigkeit gleichermaßen gegen neoliberale Austerität wie gegen rechtspopulistischen Nationalismus in Stellung bringen. Das kann nur gelingen, wenn wir entsprechende Mobilisierungen – lokal bis transnational, wo immer möglich – mit praktischen Alltagsinitiativen unterfüttern. Unser, das antirassistische Feld, hat einige Ansätze zu bieten: von Bleiberechtskampagnen – wie aktuell zu Afghanistan – bis zu Fluchthilfen aller Art, von – meist unsichtbarer – Community-Solidarität bis zu den zahlreichen Kirchenasylen, von den Medizin-Büros bis zum besten Hotel Europas.

„Wir leben zusammen, wir kämpfen zusammen – das ist längst nicht mehr nur ein Slogan auf einem Flugblatt. Es beschreibt vielmehr unsere tägliche Realität im City Plaza seit sieben Monaten. Es ist ein konkretes Beispiel solidarischer Aktion und gleichzeitig ein Experiment politisch und sozialer Emanzipation für uns alle.“ So hatte die Delegation aus Athen auf ihrer beeindruckenden Veranstaltungsrundreise durch Süddeutschland und die Schweiz die alltägliche Herausforderung auf den Punkt gebracht. In den kommenden Tagen werden sie in sechs norddeutschen Städten unterwegs sein und dort zudem ihren Vorschlag für einen europäischen Aktionstag am 18. März 2017 vorstellen. Es ist nicht nur der erste Jahrestag des EU-Türkei Deals sowie der kompletten Schließung der Balkanroute, es ist auch der zweite Jahrestag der Blockupy-Mobilisierung nach Frankfurt gegen die Austeritätspolitik. Die FreundInnen von City Plaza formulieren dazu: „Es gebe keine Alternativen, diese Geschichte wird uns einmal mehr zum herrschenden Krisen- wie Grenzregime aufgetischt. Wir denken, dass wir in unseren konkreten Kämpfen zeigen können, dass es Alternativen gibt und dass wir sie umsetzen können.“
In diesem Sinne wünschen wir einen guten Jahreswechsel und melden uns mit dem Kompass Ende Januar 2017 zurück.

Das Kompass-Team

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