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Kompass-Newsletter Nr. 36 – Februar 2015

5. – 8.2. in Berlin, Düsseldorf,Tanger und Ceuta: transnationale Aktionstage gegen den Krieg gegen MigrantInnen +++ 14.2.2015 Refugee Protest Camp Hannover goes Berlin +++ Ab 25.2.: Push Back Frontex – Kampagne am Start +++ Refugee Aktivisten im Knast +++ Zum Tod von Khaled Idris Bahray +++ Griechenland – Wenn Wahlen was ändern können? +++ Am 18.3. in Frankfurt: Blockupy gegen EZB +++ Rückblick Oury Jalloh- und Hamburg Demo +++ Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze +++ Neue Stop-Dublin-Kampagne von Pro Asyl +++ Ausblick zum März: ab 24.3. zum Weltsozialforum in Tunis …

Liebe Freundinnen und Freunde!

Dem vollen Inhaltsverzeichnis ist es bereits zu entnehmen: ziemlich viel los und reichlich zu berichten im Februar. Neben einer Reihe von überregionalen Terminen, die wir – eingeleitet mit den transnationalen Aktionstagen zum Jahrestag der Ceuta-Opfer – im Anhang bewerben, laufen oder starten gleich drei Kampagnen. Dass und warum die Asylgesetzesverschärfungen bekämpft werden müssen, hatten wir in den letzten Newslettern schon thematisiert, die Verhinderung der Etablierung neuer Abschiebehaftgründe bleibt entscheidend im Widerstand gegen die hiesige Abschreckungspolitik.
Dieser Fokus schlägt zudem die Brücke zur zweiten unten vorgestellten Kampagne: gegen die Dublin-Verordnung. Pro Asyl hat sie im Januar gestartet und neben dem juristischen und praktischen Widerstand gegen Abschiebungen nach Italien und Südosteuropa sowie der weiteren Stärkung von Kirchenasylen geht es nicht zuletzt gegen neue Haftgründe im Dublin-Verfahren.

Bestehendes und geplantes Asyl-Unrecht – wo könnte es gerade besser thematisiert und attackiert werden als auf den Anti-Pegida-Demonstrationen. Denn es ist doch einerseits mehr als erfreulich, dass mit Ausnahme weniger Städte im Osten der rechte Mob auf der Straße nicht Fuß fassen kann, dass vielmehr von Lübeck bis Freiburg den wenigen hundert Rassisten kurzfristig mehrere tausend Ge­gendemonstrantInnen gegenüberstehen. Doch wie im letzten Kompass bereits formuliert: es bleibt andererseits die Gefahr, dass im Windschatten dieser breiten Proteste – während sich alle Medien und selbst Merkel von den „frem­denfeindlichen Aufläufen“ distanziert – unbemerkt die genannten Verschärfungen durchgezogen werden. Machen wir also diese Scheinheiligkeit überall zum verstärkten Thema, und stellen wir diejenigen – insbesondere bei SPD und Grünen – zur Rede, die mitverantwortlich sind, wenn Flüchtlinge erneut hinter Gittern landen sollen, weil sie keine oder nicht die richtigen Papiere haben. Dass widerständige Refugees immer wieder wegen ihrer Proteste eingesperrt werden, sollte dabei nicht vergessen werden und findet unten ebenfalls Erwähnung.

Kommen wir noch kurz auf die dritte, in Planung befindliche Kampagne zu sprechen, die sich aus aktuellem Anlass gegen die EU-Grenzschutzagentur richtet. „Push Back Frontex“ ist der Titel und wir hatten den „Skandal im Skandal“ im Januar-Newsletter schon zur Sprache gebracht. Es ist ein deutscher Grenzschützer, Klaus Rösler, der im Namen von Frontex die italienischen Behörden wegen ihrer Rettungspolitik im zentralen Mittelmeer kritisiert und quasi öffentlich zum Sterben-lassen aufruft. Dazu soll ab 25.2., wenn besagter Frontex-Mann in Berlin beim Polizei­kongress auftritt, eine mehrmonatige Kampagne starten. Hintergrund dieser Initiative sind nicht zuletzt die konkreten Erfahrungen des WatchTheMed-Alarm­phones, wie sie auf http://watchthemed.net/ regelmäßig doku­mentiert werden. Und erklärtes Ziel ist, die Grenzschutzagentur, die am 1.5.15 ihr zehnjähriges Bestehen feiern will und deren Auflösung wir weiter unmissverständlich fordern, zumindest in diesem Bereich der Außengrenze effektiv zurückzudrängen.
Gleichzeitig tut sich Spannendes an einer anderen Außengrenze, an der Frontex die Push Backs, die illegalen Rückschiebun­gen der dortigen Küstenwache, seit Jahren politisch deckt: in Griechenland. Mit dem grandiosen Sieg von Syriza, der „Koalition der radikalen Linken“, in den vorgezogenen Wahlen im Januar tun sich neue Räume der Veränderung auf, nicht nur im Kampf gegen die brutale Austeritäts- und Krisenpolitik sondern auch gegen das unmenschliche Haft- und Grenzregime. Obwohl Syriza eine Koalition mit den Rechtsnationalisten der sog. „Unabhängi­gen Griechen (Anel)“ eingegangen ist (oder mangels Alternativen eingehen musste), spricht momentan einiges dafür, dass mit der bisherigen Abschreckungs- und Internie­rungspolitik der Vorgängerregierungen gebrochen wird (siehe Link unten). Es wird sich in den kommenden Wochen erweisen, ob Wahlen doch bisweilen et­was ändern können.

Gewiss ist hingegen, dass die Machtinstitutionen in Brüssel, Berlin und Frankfurt alles an Erpressungs- und Druckmitteln anwenden werden, um die neue griechische Regierung in der Krisen- wie in der Migrationspolitik auf den EU-Linien der Ausbeutung und Ausgrenzung zu halten. Nicht unbedeutend ist also, was – wie bereits in diesen Tagen in Spanien – im sonstigen Europa an Solidaritätsprotesten gegen die Troika und das Grenzregime auf die Beine kommt. Insofern kann bei der verspäteten Eröffnung des neuen Turms der Europäischen Zentralbank am 18.3. in Frankfurt nun von einem nahezu perfekten Timing gesprochen werden. Die Vorbereitungen für Blockaden und eine Großdemo in der Rhein-Main-Metropole laufen auf Hochtouren, um ein radikales Zeichen der europaweiten transnationalen Solidarität zu setzen. Noborder goes Blockupy – die antirassistische Beteiligung am Krisenprotest soll deshalb dieses Mal möglichst stärker ausfallen, ganz im Sinne des Slogans der aktuellen Mobilisierung: Achtzehn-Null-Drei, nimm dir frei!

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 36 -_Februar 2015 (pdf)

Antira-Kompass Nr. 35 – Januar 2015

Am 7.1. in Dessau – Oury Jalloh-Demo +++ Am 20.1. in München – Aktionstag zum NSU-Prozess – Keupstrasse ist überall +++ Am 31.1. in Hamburg – „Never mind the papers“ Demo +++ Vom 4. – 8.2 .in Berlin – transnationale Aktionstage gegen den Krieg gegen MigrantInnen +++ Fortsetzung der Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze +++ Kampagne gegen das Asylbewerberleistungsgesetz +++ Harte Zeiten und rechte Mobilisierungen in Berlin +++ Ausblicke: am 18.3. in Frankfurt zu Blockupy, ab 24.3. zum Weltsozialforum in Tunis …

Liebe FreundInnen und Freunde!

Der Jahreswechsel stand nicht nur faktisch – wie bereits im letzten Jahr -sondern auch massenmedial ganz im Zeichen der Ankünfte und Aufnahme von Flüchtlingen. Keine Tageschau ohne dieses Thema, und das im Spannnungsfeld zwischen neuen Bootsdramen und (Reaktionen auf) Pegida. Dazu hatten wir bereits im Dezember-Newsletter einige Einschätzungen formuliert und einen bilanzierenden Rückblick auf 2014 mit einem ersten Ausblick auf Chancen und Herausforderungen für 2015 kombiniert.

Einige ergänzende Bemerkungen zum Jahresanfang: „Nach Angaben des italienischen Innenministerium erreichten vom 1. Januar bis zum 17. Dezember 167.462 Flüchtlinge Italien über das Meer. Das sind im Schnitt 477 pro Tag.“ Das bleibt einmalig für das zentrale Mittelmeer und bis in den Dezember hinein hatten die italienischen Behörden Rettungseinsätze bis weit in libysches Gewässer hinein angeordnet. Daraufhin forderte „am 9. Dezember 2014 Klaus Rösler als einer der Spitzenchefs von Frontex international, und insbesondere an die italienische Regierung gerichtet, Boat-people außerhalb der 30-Meilen-Küstenzone Italiens nicht mehr zu Hilfe zu eilen, wenn sie SOS-Rufe absetzen. Rhetorisch verweist er auf die Verantwortung der libyschen Küstenwache, die es aber bekanntermassen aufgrund neuer kriegerischer Konflikte seit Monaten nicht mehr gibt. Mit anderen Worten: Klaus Rösler hat von höchster Stelle einer EU-Agentur am 9. Dezember 2014 dazu aufgerufen, Menschen massenhaft sterben zu lassen“, siehe
http://ffm-online.org/2014/12/15/ertrinkenlassen-der-aufhaltsame-aufstieg-von-frontex-roesler/

Vor diesem Hintergrund erscheint eine aktualisierte Frontex-Kampagne dringend erforderlich und angesichts der kritischen öffentlichen Stimmung auch möglich, um diese tödliche Abschreckungspolitik, vorangetrieben vom deutschen Frontex-Chef, zu denunzieren und zurückzudrängen. Es ist der pure Hohn, wenn ausgerechnet Frontex Anfang Januar 2015 den professionellen Fluchthelfern einen „neuen Grad der Grausamkeit“ vorwirft, weil bei mehreren großen Flüchtlingsbooten die Crew das Schiff verlassen hatte, um ihrer Kriminalisierung zu entgehen. Zweifellos agieren skrupellose Geschäftemacher im teuren Handel mit der Flucht übers Mittelmeer, doch machen wir immer wieder deutlich: der tausendfache Tod auf See ist ein Produkt des EU-Grenzregime, diese „Schande Europas“ inklusive aller Geschäfte mit riskanten Seepassagen könnte morgen Geschichte sein, wenn Flüchtlinge und MigrantInnen sich gewöhnliche Fähr- und Flugtickets kaufen und damit so sicher und kostengünstig wie Touristen reisen könnten. Das barbarische Visums- und Grenzregime muss und kann sofort abgeschafft werden!

Über 11.000 Boatpeople sind 2014 in der Ägäis allein auf Lesbos angelandet, ebenfalls eine Rekordzahl. Und in den marokkanischen Enklaven Ceuta und Melilla endete 2014 so, wie es angefangen hatte: mit weiteren Massenstürmen auf die Zaunanlagen, siehe die Chronik am Ende dieses Berichtes: https://beatingborders.wordpress.com/2014/12/31/as-2014-ends-more-migrants-overcome-the-obstacles-to-arrive-in-europe/

Die EU-Außengrenze ist und bleibt an allen südlichen Brennpunkten umkämpft wie nie zuvor, und die transnationalen Aktionstage vom 4. bis 8. Februar in Berlin (siehe unten) bieten eine erste Gelegenheit zu Anfang des Jahres, diese Kämpfe von hier aus aufzugreifen und weitere Verabredungen zu treffen. Das bundesweite sowie transnationale Potential antirassistischer Bewegung erscheint vielfältiger und stärker denn je, doch es fehlt nach wie vor an verbindlichen übergreifenden Strukturen, die in der Lage wären, konkrete Durchsetzungsstrategien zu entwickeln. Darauf wird es aber ankommen in den nächsten Monaten, um sowohl im Kampf gegen die äußeren wie auch gegen die inneren Grenzen neue Dynamiken zu entfachen. Genannt sei zu letzterem insbesondere die Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze (siehe Bericht unten), in der eine Fokussierung auf die Bekämpfung der neuerlichen Ausweitung des Abschiebehaftregime vorgeschlagen wird. Denn, wie im Dezember-Newsletter bereits ausgeführt, ist die faktische Aushebelung der Abschiebehaft als Kriminalisierungs- und Erpressungsinstrument gegenüber Geflüchteten einer der großen Erfolge der Bewegung in 2014, ein Meilenstein im Kampf gegen die inneren Grenzen, der unbedingt gehalten werden muss.

Doch es besteht die Gefahr, dass die Hardliner aus den Innenministerien sozusagen im Windschatten der Pegida-Debatte – in einer Mischung aus vermeintlicher Abgrenzung von und angeblicher „Beruhigung“ des rechten Mobs – die Verschärfungen entsprechend des vorliegenden Kabinettsentwurfes durchziehen. Es bleiben noch wenige Monate, um diese Planungen zu durchkreuzen, und mit der anhaltend breiten kritischen Öffentlichkeit sowie dem Potential unserer Bewegung haben wir eine gute Chance. Nutzen wir sie!
In diesem Sinne wünschen wir ein gutes neues Jahr.

P.S.: Im Nachtrag noch der Link zum lesenswerten „Weihnachtsgruß von 89ern“ – 25 Jahre nach dem Mauerfall – PEGIDA – Nie wieda! Siehe http://www.taz.de/!151748/

Beste Grüße,
die Kompass-Crew

Antira-Kompass-Newsletter Nr. 35 – Januar 2015 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 34 – Dezember 2014

+++ Neue Zeitung von Afrique-Europe-Interact +++ 18.12. in Calais und Tunis +++ Chronologie vielfältiger Proteste im November und Dezember +++ Rückschau 2014 +++ Kampagne gegen Verschärfung der Asylgesetze +++ Hungerstreiks von Flüchtlingen in Griechenland +++ Alarm Phone: erste Zwischenbilanz +++ Ausblicke für 2015: 7.1. in Dessau, 6.2. in Berlin, 18.3. in Frankfurt, Ende März zum WSF in Tunis … +++


Liebe Freundinnen und Freunde!

Wäre unser Newsletter wie gewohnt Anfang des Monats erschienen, hätten wir die vielfältigen Aktionen der letzten Tage zwar noch knapp ankündigen, aber kaum mehr mobilisieren können. Deshalb haben wir kurzerhand entschieden, ausnahmsweise ein paar Tage später herauszukommen und einen erweiterten Rückblick vorzunehmen: auf die letzten Wochen und auf die vergangenen Monate. Zum Jahresende bietet sich der Versuch einer Bilanzierung und Einschätzung an, auch um damit Herausforderungen und mögliche Perspektiven für 2015 zu skizzieren. Entsprechend fällt unsere Einleitung dieses Mal etwas ausführlicher aus, zumal wir noch ein paar Zeilen in eigener Sache anhängen wollen.

Doch der Reihe nach:

* Kaum ein Tag ohne Protest und Widerstand gegen das herrschende Grenzregime: Die letzten Wochen sind erneut von einer beeindruckenden Kette antirassistischer Aktivitäten geprägt, und nicht selten sorgen sie für massenmediale Schlagzeilen. Die Spannbreite reicht von der Künstleraktion des ersten Europäischen Mauerfalls in Berlin bis zum Hungerstreik der Non-Citizens in München, von der Demo gegen die IMK in Köln bis zum ausdauernden Protestcamp der sudanesischen Geflüchteten in Hannover, von der kurzfristig gestarteten Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze bis zu den erfolgreichen Kirchenasylen bei Lampedusa in Hanau. Symbolischer Protest und alltäglicher Widerstand attackieren auf unterschiedlichen Ebenen die herrschende Flüchtlings- und Migrationspolitik, nicht nur in Germany. Ein internationales Treffen von Sans Papieres und MigrantInnen in Rom, Hungerstreiks in Griechenland und einen Zwischenbericht des transnationalen Projektes des Alarmphones haben wir beispielhaft in die lange Liste der Kurzberichte und Links unten aufgenommen.

* Es war ein sehr bewegtes und bewegendes Jahr. Die zahlreichen Aktivitäten im November und Dezember spiegeln wieder, was das gesamte Jahr 2014 geprägt hat: die inneren wie äußeren Grenzen der EU sind umkämpfter denn je, die sozialen und politischen Kämpfe der Migrationsbewegungen haben sich enorm verdichtet. Eine Bilanzierung muss gleichwohl widersprüchlich ausfallen, das Gesamtbild ist mehr als komplex.

Einerseits haben es weitaus mehr Refugees and Migrants nach Europa
geschafft als in den Vorjahren, aller Frontex-koordinierten Hochrüstung zum Trotz. Zumindest in Deutschland haben sich die Selbstorganisierungsprozesse der Geflüchteten vielerorts weiter entwickelt, und die Unterstützung ist gewachsen, von radikalen AktivistInnen bis hin zu bürgerlichen HelferInnenkreisen. Es gibt spürbare Erfolge: Zahllose Dublin-Abschiebungen wurden gestoppt, per
Gerichtsentscheidungen, mit Kirchenasylen, durch Blockaden und Proteste oder noch last minute im Flugzeug. Und der vielleicht eindeutigste Beleg: nur noch ca. 30 Asylsuchende saßen Mitte November deutschlandweit in Abschiebehaft. Früher waren es Tausende, noch nie war die Zahl so gering und die Waffe der Abschreckungs- und Erpressungshaft so stumpf wie heute.
Dazu beigetragen hat die gewachsene kritische Öffentlichkeit, seit Oktober 2013 wird die herrschende Flüchtlingspolitik selbst in Massenmedien immer wieder grundlegend in Frage gestellt. Aktuellste Beispiele: Selbst die Kriminalisierung der Fluchthilfe wurde in einem außergewöhnlichen Panorama-Bericht kritisiert, und „Die Anstalt“ brach nach einer brillanten Vorführung der tödlichen Frontex-Abschottung am Ende der Sendung gar mit dem Format des Kabarett und ließ einen syrischen Flüchtlingschor singen.

Andererseits: Die brutale staatliche Gewalt an den Außengrenzen, insbesondere in der Ägäis und an den Zäunen von Ceuta und Melilla, ist mitnichten gebremst, die Zahl der Toten im zentralen Mittelmeer ist so hoch wie nie zuvor. In Deutschland schüren die Herschenden mit der Ausweitung der „sicheren Herkunftsländer“ auf die Balkanstaaten und dem staatlichen Diskurs der Armutsmigration die Spaltung zwischen berechtigten „guten“ und unberechtigten „schlechten“ Flüchtlingen. Und der aktuelle Kabinettsbeschluss der großen Koalition zielt auf die Ausweitung der Abschiebehaft und auf strikte Wiedereinreisesperren, um die Abschreckung erneut hochzufahren. Dazu kommt die wachsende Mobilisierung von rechts. Die Wahlerfolge der AfD stehen für den verbreiteten Sarrazynismus, und mit Hogesa („Hooligans gegen  Salafisten“) und Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) traut sich der Mob wieder auf die Straße.

Die gesellschaftliche Polarisierung ist seit Monaten immer massiver zu spüren: während weitaus mehr Menschen ihr abstraktes Mitgefühl in konkrete Unterstützung zu verwandeln suchen, formiert sich von rechts eine Mischung aus Xenophobie und dem Hass auf das Andere. Diese Polarisierung erscheint als Herausforderung und Chance zugleich: denn das notwendige Zurückdrängen der rassistischen Montagsdemos bliebe reaktiv und defensiv, sofern nicht gleichzeitig das oben erwähnte, geplante repressive Gesetzespaket in den nächsten Wochen in die Zange genommen und – wenn nicht verhindert – so doch zumindest entschärft wird.
Die kritische Öffentlichkeit wäre gegeben, die potentielle Stärke der Bewegung ebenfalls. Doch das aktivistische AntiRa-Spektrum scheint zu gemeinsamer Koordinierung oder gar Fokussierung bislang nicht in der Lage. Entsprechende Bemühungen, sei es bei Noborder last forever in Frankfurt im Februar, beim Marsch nach Brüssel im Juni oder beim 20. Geburtstag von Voice in Jena im Oktober, fruchteten (noch) nicht. Wie die Vielfalt in effektivere Durchsetzungsstrategien zu übersetzen wäre, bleibt insofern eine der zentralen Herausforderungen für 2015.

Die zweite liegt in der Verknüpfung und Verbreiterung in und mit weiteren sozialen und gesellschaftlichen Fragen. Auch hier gibt es gute Ansätze. Ob von afrique-europe-interact zur Frage des Landraubs, ob in aktuellen Solidaritätsdemos zu Rojava oder ob zu Krise, prekärer Arbeit und sozialem Streik mit Blockupy – es gibt zahlreiche Verbindungslinien, die gegenseitig zu (ver)stärken wären, um in und mit den Kämpfen für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte eine übergreifende emanzipatorischen Perspektive weiter zu entwickeln.

* Schließlich noch ein paar Sätze in eigener Sache: Unser Newsletter erscheint jetzt bald drei Jahre immer zum Monatsanfang und seit einigen Ausgaben auch jeweils in englisch und französisch. Die Übersetzungen hinken meistens ein paar Tage nach, aber Dreisprachigkeit halten wir für eine Voraussetzung, dass sich potentiell auch Refugees und Migrants an diesem Austausch- und Überblicksprojekt stärker beteiligen. Doch die Frage der breiteren Beteiligung stellt sich nach wie vor grundsätzlicher. Wir erhalten zwar einigen Zuspruch und viele halten den Ansatz eines regelmäßigen, spektren-übergreifenden Newsletters für gut und wichtig.
Doch bislang sind wir als Produktionsteam im engen Kreis geblieben, und den Berichten oder Ankündigungen müssen wir meistens hinterherlaufen. Stattdessen benötigen wir Aktive aus allen Spektren, die uns selbstständig kurze Texte und Hinweise zuschicken, die sich an den Übersetzungen beteiligen oder beim Layout mitwirken. Es wäre uns das liebste Geschenk zum dreijährigen Geburtstag im März, wenn sich ein paar mehr Leute finden würden, die das Kompass-Newsletter-Projekt kontinuierlich unterstützen.

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass Newsletter Nr. 34 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 33 – November 2014

+++ 4.11.: Soli-Aktionen gegen Push-Backs in Melilla +++ Boza: Film zu Marokko und March for Freedom +++ 20. – 23.11.: Blockupy-Festival in Frankfurt +++ Ab 28.11.: Anti-Isolation-Tour durch Baden-Württemberg +++ Kampagne gegen Asylrechtsverschärfungen +++ Infos zu Oury Jalloh und Choucha +++ Rückblick – Flüchtlingskämpfe, Proteste gegen Abschiebungen, Alarm Phone in Hamburg, Berlin, Hannover, Darmstadt, Bremen +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

dass 2014 als ein historisches Jahr der Kämpfe um das Recht auf Bewegungsfreiheit einschätzen ist, zeigt sich in den letzten Wochen einmal mehr im gesamten Mittelmeerraum und besonders eindrücklich zwischen Marokko und Spanien. Die Zaunkämpfe in Melilla gehen unvermindert weiter, trotz und gegen die brutale Gewalt der spanischen Grenzpolizei. Hier ein aktueller Link zu einem kurzen beeindruckenden Video: http://www.20minutos.tv/videoplayerjw/ipGQZ359/a/
Und in diesem Kontext wird es am 4. November parallele Protestaktionen in Rabat und Berlin geben (s.u.). Mit „Boza“ wird in diesem Newsletter zudem der sehr sehenswerte Film eines tunesischen Aktivisten vorgestellt, der den Bogen aus den marokkanischen Wäldern bis zum Protestmarsch von Strasbourg nach Brüssel spannt. Neben Hinweisen auf das Blockupyfestival, auf eine Anti-Isolation-Tour, neuen Informationen zu Oury Jalloh und Choucha sowie zur anlaufenden Kampagne gegen die geplanten Verschärfungen der Asylgesetze haben wir dieses Mal noch einen kleinen Rückblick auf Proteste und selbstorganisierte Aktivitäten in mehreren Städten zusammengestellt.

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew
Kontakt: kompass-notify@antira.info

Kompass-Newsletter Nr. 33 – November 2014 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 32 – Oktober 2014

+++ Gedenk- und Protestaktionen zum Lampedusa Jahrestag +++ „Watch The Med Alarm Phone“ ab 10.10. am Start +++ Lampedusa In HH: Emancipation Days am 10./11.10 +++ AntiRa-Konferenz in Stuttgart am 18.10. +++ Aktuelles aus Tanger/Marokko +++ Bericht zum bundesweiten Treffen zu EU-Arbeitsmigration in München +++ Blockupy-Festival im November in Frankfurt +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

In diesen Tagen vermischen sich neue Schreckensmeldungen aus dem Mittelmeer mit dem Gedenken an den 3. Oktober 2013 vor Lampedusa: der Tod auf See nimmt kein Ende. Auch wenn in einem aktuellen Fall vermutlich mafioti¬sche Strukturen einen Massenmord zu verantworten haben, das alles ist nur möglich vor dem Hintergrund eines EU-Grenz- und Visa-Regimes, das Flüchtlinge und Migrantinnen auf diese gefährlichen Routen zwingt. Und was wir im letzten Newsletter bereits formuliert hatten, ist mittlerweile aus offiziellen Dokumenten amtlich: „Frontex plus“ im zentralen Mittel-meer zielt bewusst auf weniger Rettung und damit auf mehr Sterben-Lassen.

alarmphoneIn vielen Städten finden Anfang Oktober Gedenkveranstaltungen statt, oder auch Protestaktionen gegen die hiesige Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik (siehe unten). Und wie ebenfalls in unserer Septemberausgabe schon vorgestellt, startet ab 10. Oktober das „Watch The Med Alarm-Phone“. Es ist der ambitionierte Versuch, mit einer neuen transnationalen Alltagsstruktur in Echtzeit in das Unrecht auf See zu intervenieren (auch dazu unten mehr).

Schließlich finden sich in diesem Newsletter ein kurzer Bericht über das bundesweite Treffen zu EU-Arbeitsmigration in München sowie die erste Einladung zum Blockupy Festival im November in Frankfurt.
Beides steht hier auch für das Bemühen und die Notwendigkeit, die Kämpfe um Flucht und Migration immer wieder mit den gesamtgesellschaftlichen Auseinan-dersetzungen zu verbinden…

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Newsletter Nr. 32 – Octobre 2014 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 31 – September 2014

+++ Von Mare Nostrum zu Frontex Plus +++ „Watch The Med Alarm Phone“ in Vorbereitung +++ vom 1.-5.10. in Jena: 20 Jahre Voice Refugee Forum +++ 12.-14.9. in Hamburg: Europa der Kommenden +++ 20./21.9. in München: Bundesweites Treffen zu EU-Arbeitsmigration +++ Blockupy-Treffen in Frankfurt (14.9.) und in Brüssel (26.9.) +++ Rückblick August: w2eu und JoG auf Lesbos +++ Vorankündigung Oktober: Ba-Wü-AntiRa-Konferenz in Stuttgart +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Über 100.000 Boatpeople sind mittlerweile über das zentrale Mittelmeer in Italien angelandet, zumeist abgefangen oder gerettet durch „Mare Nostrum“. Diese ambivalente Seerettungsoperation war wiederholt ein Thema in unserem Newsletter und unlängst wurde dazu ein Thesenpapier veröffentlicht, das wir hiermit nochmal ausdrücklich empfehlen:

http://afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=1193&clang=0

„Frontex Plus“ heißt nun die neue Zauberformel, durch die Mare Nostrum bis Ende November abgelöst werden soll. Und dass ausgerechnet die Grenzschutzagentur Frontex – treffend als „mobiler Stacheldraht der EU“ bezeichnet – das Kommando übernehmen soll, macht deutlich, worauf die EU-Migrationspolitik abzielt: weniger Rettung und mehr Sterben-Lassen (mehr dazu unten). Umso wichtiger, dass öffentliche Kritik und praktischer Widerstand gegen das tödliche Grenzregime nicht nachlassen. Rund um den 3. Oktober, dem ersten Jahrestag der Lampedusa-„Tragödie“, sind vielfältige Aktivitäten in Planung, und besonders ambitioniert erscheint der Versuch, ab Oktober ein alternatives Alarmsystem für den Mittelmeerraum einzurichten (siehe Beitrag im Newsletter unten).

Im gleichen Zeitraum, vom 1. bis 5. Oktober findet in Jena eine Jubiläumskonferenz statt: 20 Jahre The Voice Refugee Forum. The Voice hat vor 20 Jahren die ersten Spuren des Widerstandes von Flüchtlingen in Deutschland gelegt und seitdem Erfahrungen der Selbstorganisierung verbreitet – beispielhaft seit 2000 im zivilen Ungehorsam gegen die Residenzpflicht -, ohne die die heutige Vielfalt der Kämpfe der Geflüchteten kaum denkbar wäre (im Newsletter mehr und insbesondere ein Spendenaufruf zur Durchführung der Konferenz).

Ansonsten in diesem Newsletter ein kurzer Rückblick auf das beeindruckende „Back-to-the-borders-II“-Projekt auf Lesbos im August sowie Ankündigungen zu mehreren Arbeitstreffen und Festivals. Zur weiteren Entwicklung der Proteste und Kämpfe in Berlin, Hamburg, Hannover, Rhein-Main… bitte die Links und Verweise aus den letzten Newslettern verfolgen.

mit besten Grüßen,

die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 31, September 2014 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 30 – August 2014

+++ Seit 14.7. bis 27.8.: Floßtour mit Women in Exile +++ Nach der Schulbesetzung in Berlin…+++ Alltagskämpfe gegen Dublin III +++ Stop Deportation Camp in Eisenhüttenstadt vom 26.8. bis 1.9. +++ FFM zum Sterben im Mittlemeer +++ Weitere Vorankündigungen für die nächsten Wochen: Bundesweites Treffen zu EU-Arbeitsmigration in München, Blockupy transnational in Brüssel, 20 Jahre Voice in Jena, Ba-Wü-AntiRa-Konferenz in Stuttgart +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Zum Redaktionsschluss unseres letzten Newsletters war die besetzte Schule in Berlin noch umkämpft und offen, ob die angekündigte Räumung mit allen Mitteln durchgesetzt wird. Auch deshalb unten ein paar Zeilen mehr, in denen einiges zur weiteren und aktuellen Mobilisierung zusammengefasst ist.
Flüchtlingsfrauen werden laut: Am 14. Juli hat eine Aktionstour mit einem „Fluchtschiff“ als Kooperation von Heinz Ratz und ‚Women in Exile‘ begonnen und ist noch den ganzen August unterwegs durch die Lager (siehe Terminlink unten).

Zum Aufruf „Time to Act – Dublin muss weg“ hier nochmal der Direktlink:
http://dublin2.info/files/2014/06/dublin-call-2014.de_.pdf
Denn in vielen Städten ist der Kampf gegen Dublin III zur Zeit ein bestimmendes Handlungsfeld, es werden Dublin-Abschiebungen blockiert und in mehr und mehr Städten gibt es Kirchenasyle, um die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Italien oder Ungarn in diesen Schutzräumen zu überstehen. Dazu unten weitere Informationen sowie der Hinweis auf das Ende Juli veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtshofes, in dem Dublin-Inhaftierungen quasi verboten werden.

Das ist innerhalb kürzester Zeit der zweite juristische Erfolg gegen Abschiebehaft, nachdem kurz vorher der Europäische Gerichtshof Strafhaft für Abschiebehäftlinge untersagt hat. Doch ob diese positiven Entscheidungen wirklich das Ende der Abschiebehaft einläuten oder letztlich nur „verlegt und gesetzlich nachgebessert“ wird, wie einige Bundesländer praktizieren und Regierungskreise formulieren, dürfte nicht im Gerichtssaal entschieden werden. Vielmehr ist hier weiterer Protest und Widerstand gefragt, und insofern sei insbesondere auf das ‚Stop Deportation-Camp‘ Ende August in Eisenhüttenstadt sowie auf die 20-jährige Jubiläumskonferenz von ‚The Voice Refugee Forum‘ Anfang Oktober in Jena verwiesen: der Kampf gegen Abschiebungen und Abschiebehaft wird bei beiden Aktivitäten den Schwerpunkt bilden.

In eigener Sache: In den letzten Monaten ist es uns gelungen, den Newsletter dreisprachig (d, en, fr) herauszubringen. Darüber sind wir sehr froh und wir bitten alle, die links dazu entsprechend zu verteilen.

Nach wie vor suchen wir Menschen, die Übersetzungsarbeit leisten können. Um den Newsletter dauerhaft weiterführen zu können suchen wir außerdem Leute, die an der inhaltlichen und layout-technischen Gestaltung mitarbeiten wollen.

mit besten Grüßen,

die Kompass-Crew

Hier gehts zum Newsletter Nr.30, August 2014 (pdf)

Kompass-Antira-Newsletter Juli 2014

+++ Marsch der Refugees und Sans Papiers in Brüssel +++ Kampf um die Schule in Berlin und Lampedusa in Hamburg +++ Time to act – Widerstand gegen Dublin II/III +++ International Migrant Struggles +++ Ab 14.7.: Floßtour mit Women in Exile +++ Weitere Vorankündigungen für die nächsten Wochen und Monate +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Für globale Bewegungsfreiheit, für Papiere für Alle und gegen Entrechtung und Ausbeutung – in diesen Forderungen trafen Refugees und Sans Papiers aus mehreren europäischen Ländern im und mit dem Marsch für Freiheit Ende Juni in Brüssel zusammen. In der zentralen Demonstration anlässlich des EU-Gipfels protestierten über 1000 Aktive gemeinsam aus dem gesamten Spektrum migranti­scher Kämpfe, in transnationaler Zusam­mensetzung, mit multlilingualen Parolen und in tanzender bis wütender, jedenfalls starker Stimmung.

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Doch von einigen weni­gen Diskussions­veranstaltungen und Arbeitsgruppen abgesehen dominierten im einwöchigen Aktionscamp interner Streit und Spannungen. Das eigentlich großartige Potential konnte selten produktiv gemacht werden, zu oft polarisierten sich inhaltliche Differenzen und unterschiedliche Organi­sierungsstrukturen in konkurrenten Posi­tionen. Auch wenn die Multitude der Bewegungen der Migration in Brüssel (noch) nicht wie erhofft zusammen hat finden können, es gab viele wertvolle Begegnungen und neue Verbindungen (siehe unten). Und wie im letzten Newsletter schon beschrieben, war im Marsch selbst eine starke transnationale Gruppe zusammen­gewachsen, deren Spuren in die laufenden und zukünftigen Kämpfe in Berlin oder Calais, nach Tunis oder Melilla hineinwirken werden…

An den EU-Außengrenzen hat der soziale Widerstand sich weiter verstärkt, Frontex – Symbol der Hochrüstung der Grenzen – steht bildlich gesehen mit dem Rücken zur Wand. Dem Überwachungsprogramm Eurosur und aller Vorverlagerung zum Trotz sind die Bewegungen der Migration weniger denn je aufzuhalten. Die sich wiederholenden Bilder stehen eindrücklich für den zunehmenden sozialen Kampf um Bewegungsfreiheit: Hunderte von Migranten attackieren und überwinden kollektiv die Zäune der spanischen Enkla­ven in Marokko. Gleichzeitig schaffen es im ersten Halbjahr 2014 rund 60.000 Flüchtlinge und MigrantInnen von Libyen über das Mittelmeer nach Italien, mehr als in ganz 2013.

Mit einem Marine­einsatz reagierte die italienische Regie­rung seit Mitte Oktober 2013 auf die Kritik am Massensterben vor Lampedusa. Weil die Boatpeople nicht nach Libyen zurück­zuschieben sind, gerät „Mare Nostrum“ – so der Name der Opera­tion – zum unfrei­willigen Rettungspro­gramm. Ein – mit ungeheurem Leid – errungener Erfolg einer steten Bewegung der Migration, aber auch Konsequenz aus den nordafri­kanischen Umbrüchen, die Europas Wachhundregime im Maghreb hinwegfeg­ten.

Auf den Marineschiffen im Mittelmeer wie auch in den Aufnahmelagern in Sizilien verweigern immer mehr Gruppen von Flüchtlingen erfolgreich die Abnahme ihrer Fingerabdrücke, der kollektive Kampf gegen Dublin II/III beginnt häufiger denn je bereits bei der Ankunft an den Außengrenzen. Und unvermindert setzt sich der Widerstand gegen diese „inneren Grenzen der EU“ an vielen Orten fort (siehe Kurzberichte). In Hessen musste Mitte Juni extra ein Kleinflugzeug gechartert werden, um Dublin-Abschiebungen nach Italien mit aller Gewalt durchzusetzen. Die drei betroffenen eritreischen Flüchtlinge hatten sich zuvor mehrfach erfolgreich dem Zwangstransport per Linienflug verwei­gert. Im rassistischen Verfolgungseifer der zuständigen Behörde spiegelt sich auch ein verzweifelter Abschreckungsversuch, damit sich der Widerstand gegen Abschie­bung nicht weiter verbreitet.

Vor diesem Hintergrund ist mit „Time to Act – Zeit zum Handeln“ unlängst ein neuer Aufruf von Welcome to Europe erschienen (siehe unten), in dem die unterschiedlichen Handlungsoptionen nochmals zusammengefasst werden. Dieser schließt mit der Aufforderung, die mögliche Rückkehr der Abgeschobenen aus Italien, Ungarn oder Polen zu unterstützen und dafür die transnationalen Netzwerkstrukturen zu verstärken. In diesem Sinne: Solidarite avec les Sans Papiers!

mit besten Grüßen,

die Kompass-Crew

Hier gehts zum Newsletter Nr. 29/Juli 2014 (pdf)

Kompass-Antira Newsletter Juni 2014

+++ Marsch der Refugees und Sans Papiers on Tour – Kommt nach Brüssel! +++ Melilla/Sizilien: Movements of Migration an den Außengrenzen +++ 7.6.: Vierte ‚Stop Dublin II/III‘ – Demo in Frankfurt +++ 12.6.: Bleiberechtsdemo von Jugendliche ohne Grenzen zur IMK in Bonn +++ 20. – 22.6.: Frauenflüchtlingskonferenz in Frankfurt ++ + Bundesweites Netzwerk gegen Abschiebungen +++ Rückblick auf Proteste im Mai und Blockupy +++ Ab 14.7.: Floß-Tour mit Women in Exile +++ Weitere Vorankündigungen für die nächsten Monate +++

march© Andrea Linss / Quelle: https://www.flickr.com/photos/alinss/14036865627/in/set-72157644695159036/

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Pour la liberte, c’est la marche des sans papieres, de Strasbourg a Brussels a pied!“ (Für die Freiheit, das ist der Marsch der Papierlosen, zu Fuß von Strassburg bis nach Brüssel!) – dieser Slogan erschallte an all den Orten, die der Marsch für Freiheit nach dem Start am 18. Mai im Elsass durchquerte. Über mehrere Stationen rund um Saarbrücken erreichte der Fußmarsch am 1. Juni Schengen und verwandelte diesen symbolischen Ort in eine Protestzone gegen das EU-Grenzregime (siehe Kurzbericht unten).
schengenAn der Marschgruppe nehmen bislang 60 bis 150 Menschen teil, zum Auftakt kamen bis zu 400 und nach Schengen rund 200 Leute. Das ist sicher kleiner als zunächst erhofft, doch die gemischte Zusammensetzung führt vielfältige Erfahrungen zusammen. Refugees vom Berliner Oranienplatz und eine Delegation aus Tunesien, Selbstorganisierte und UnterstützerInnen aus verschiedenen Städten und Ländern sind in den ersten beiden Wochen zu einem Power-Team zusammen gewachsen und dieses ambitionierte Projekt – siehe http://freedomnotfrontex.noblogs.org/ – verdient auch weiterhin alle Solidarität.

Und repräsentiert dieser Marsch nicht die transnationale politische Spitze eines sozial-politischen Eisbergs? Am 28. Mai stürmen erneut Hunderte von – siehe den beeindruckenden Filmbericht unter http://www.tagesschau.de/ausland/melillaansturm100.und zwei Tage später erreichen innerhalb von 24 Stunden über 3.000 Boatpeople Sizilien. Bereits jetzt sind mehr MigrantInnen in Italien angekommen als im gesamten Jahr 2013! Das ist der Kontext, in dem der Marsch stattfindet und auf den er sich mit Solidaritätsbekundungen und Aktionen (wie am 1. Juni in Schengen) auch unmittelbar bezieht.

Quer durch Europa flammen zudem neue Proteste auf: Im Mai gab es Aufruhr in mehreren britischen Abschiebegefängnissen sowie Kundgebungen gegen Abschiebehaft in Debrecen und in Bologna; afghanische Flüchtlinge protestieren in Ankara mit Hungerstreiks für ihre Rechte, in Calais spitzt sich mit Räumungen die Situation der TransitmigrantInnen zu. Ein neuer Hungerstreik einer Non-Citizen-Gruppe in Berlin, Demonstrationen gegen Dublin II/III in Frankfurt, Protestzelte in Hannover und In jeweilige Kurzberichte und Links siehe unten): auch – Proteste unvermindert weiter.

Kann es gelingen, dass der Marsch daraus eine weitere Dynamik, eine stärkere Mobilisierung und mehr Öffentlichkeit gewinnt? Jetzt in den kommenden Tagen in Luxembourg, wo er auf die EU-Innenmister trifft, und dann ab 20. Juni in Brüssel, wo eine ganze Aktionswoche in Vorbereitung ist? Am 26. Juni, zum Beginn des EU-Gipfeltreffens der Regierungs-Chefs, ist jedenfalls eine größere Demonstration geplant, am 27. und 28. Juni folgen ein Gegengipfel zu Migration sowie eine Konferenz, in denen die weiteren transnationalen Perspektiven im Mittelpunkt stehen. Mobilisiert und kommt nach Brüssel!!

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Hier geht’s zum aktuellen Newsletter Nr. 28 / Juni 2014 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 27 – Mai 2014

+++ Kommt am 18. Mai nach Kehl/Strasbourg: Start des Marsches der Refugees und Sans Papiers nach Brüssel +++ Kämpfe gegen Dublin II/III – z.B. am 8. Mai in Frankfurt +++ Movements of Migration an den Außengrenzen +++ Ab 15. Mai: Internationale Aktionstage von Blockupy +++ BuKo 36 Ende Mai in Leipzig +++ Rückblick April: O-Platz Berlin und Lampedusa in Hamburg +++ Vorschau Juni: Bleiberechtsdemo von Jugendliche ohne Grenzen zur Innenministerkonferenz in Bonn, Frauenflüchtlingskonferenz in Frankfurt, Aktionswoche Brüssel …

Liebe Freundinnen und Freunde!

Alle, denen es möglich ist, sollten am Sonntag, dem 18. Mai, nach Kehl kommen, um den Start des Marsches der Refugees und Sans Papiers bei der ersten Grenzüberschreitung nach Strasbourg zu unterstützen. Der Marsch nach Brüssel geht über 5 Wochen und es ist erwünscht, sich auch an Teilstrecken zu beteiligen, z. B. am Wochenende zum 1. Juni, wenn im hochsymbolischen Ort Schengen Station gemacht wird.
Das Schengener Abkommen steht seit 1995 für die Reisefreiheit für EU-StaatsbürgerInnen, während sog. DrittstaatlerInnen mit umso schärferen Grenzkontrollen und Visumsrestriktionen konfrontiert sind. Schengen symbolisiert das Leid und den tausendfachen Tod an den EU-Außengrenzen, und das soll dort zum öffentlichen Thema gemacht werden. Weitere Aktionsorte werden u.a. Saarbrücken, Luxemburg und drei weitere Grenzen sein (Genaueres im Newsletter), bevor der Marsch am 20. Juni in Brüssel mit einer ersten Welcome-Demonstration empfangen wird. Für die anschließende Aktionswoche sind vielfältige Proteste gegen die Verantwortlichen und Profiteure des EU-Grenzregime in Planung. Am Donnerstag, dem 26. Juni, soll zum ersten Gipfeltag der EU-Innenminister eine Großkundgebung und zentrale Demonstration organisiert werden, am Tag darauf ein Gegengipfel zu den Perspektiven der Kämpfe der Migration.

Im letzten Newsletter hatten wir formuliert: „Der Marsch und die Aktionstage fallen nicht zufällig in einen Frühsommer, der bezüglich der „Movements of Migration“, der sozialen und politischen Kämpfe von Flüchtlingen und MigrantInnen, regelrecht „historische Bedeutung“ erlangen kann. Denn es hat eine neue Dimension, was sich in den vergangenen Wochen an den EU-Außengrenzen abspielt.“
Die Dynamik ist auch in den letzten Wochen ungebrochen: in der Ägäis die höchsten Zahlen ankommender Boatpeople seit den Rekordjahren 2009/10; in Marokko anhaltend – wie gerade wieder am 1. Mai – die gut organisierten Attacken auf die Grenzzäune der spanischen Enklaven von Melilla und Ceuta; und nahezu täglich die Meldungen von Rettungen in der Strasse von Sizilien, die Zahlen 10mal so hoch wie im Vorjahr. Ob und wie es mit dem italienischen Marine-Einsatz „Mare Nostrum“ weitergeht, dürfte nicht nur in Italien umstritten sein (siehe http://ffm-online.org/2014/04/24/lampedusa-28-000-boat-people-nutzten-mare-nostrum-eu-militaer-nordafrikanische-haefen/).
Trotz aller Militarisierung und Aufrüstung mit Frontex und Eurosur stehen die „Grenzschützer“ zur Zeit überall im Mittelmeerraum mit dem Rücken zur Wand. Die rasante Entwicklung in Süditalien, der „Kollaps der Aufnahmekapazitäten“ (aktuelles Zitat des Chefs der it. Grenzpolizei) könnte in Kürze auch unmittelbare Auswirkungen auf das Dublin-Regime haben. Es wird Behörden und Gerichten jedenfalls noch schwerer fallen, die Obdachlosigkeit und Nichtversorgung derjenigen Asylsuchenden zu kaschieren, die aus allen europäischen Ländern wegen Dublin II/III nach Italien zurückgezwungen werden. Und wenn – nach Griechenland seit Anfang 2011 – auch Italien als Rückschiebungsort fällt, würde das Dublin-System zur Makulatur.

Entsprechend wichtig ist, dass sich die Kämpfe gegen die Dublin-Verordnung verstärken, dass sich die Betroffenen selbst organisieren, um vermehrt Abschiebungen noch im Flugzeug zu verhindern, dass mit Kirchenasyl Schutzräume für sie eröffnet und im Falle der dennoch erfolgten Abschiebung nach Italien sie nicht vergessen sondern bei ihrer Rückkehr nach Deutschland unterstützt werden.

In Frankfurt gehen die Proteste gegen Dublin am 8.5. mit einer Demo im Flughafen weiter (s.u.), in Hamburg wurde am 1. Mai eine alte Schule besetzt, um ein Welcome Center einzurichten (s.u.). Berlin erlebte im April eine Zuspitzung rund um den O-Platz, ausgelöst zunächst allerdings durch die erfolgreiche Spaltung der Flüchtlinge untereinander (s.u. die kurze Chronologie).

Selbstorganisierte Gruppen aus Berlin sind gleichzeitig die treibende Kraft des transnationalen Marsches, sie werden am 17.5. nach Kehl/Strasbourg starten, nach einer gemeinsamen Aktion in Berlin mit den anstehenden Krisenprotesten.
Denn am 15.5. starten die europaweit organisierten Aktionstage des http://mayofsolidarity.org/ . Am 17.5. finden dazu aus der Blockupy-Koordination gleichzeitige regionale Demos statt (s.u.), nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, Stuttgart und Düsseldorf werden die Kämpfe der Geflüchteten eine prominente Rolle spielen. Initiativen aus mehreren Ländern haben zudem einen eigenen Aufruf verfasst, der inhaltlich die Kämpfe gegen das Krisenregime mit den Kämpfen gegen das Grenzregime zu verbinden und praktisch all diese Blockupy-Mobilisierungen mit dem einen Tag später startenden Marsch zu verknüpfen sucht. In diesem Sinne hoffen wir, dass die „Solidarity beyond Borders“ im Mai und Juni wirklich zum Tragen kommt, jedenfalls stehen zwei äußerst bewegungsreiche Monate an…

Mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

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