„Wir sind hier, weil Ihr unsere Länder zerstört“, mit diesem Slogan trat 1998 die „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge“ auf den Plan. Ihr ging es nicht darum, ein Recht auf Aufnahme und Integration zu erstreiten. Was mit einer Besetzung des Büros der Grünen während des G8-Gipfels 1998 in Fahrt kam, reichte weiter: In diesem Land gemeinsam gegen die Ursachen zu kämpfen, die ihre Flucht erst nötig gemacht haben – das war das Ziel der AktivistInnen und Aktivisten der Karawane.
Mitten in einem der industriellen Zentren der Welt wollten sie die Kämpfe fortsetzen, die viele von ihnen in den Ländern des Südens schon geführt hatten. Nigerianer, die sich gegen das Abacha-Regime und die Ausbeutung der Ölreserven des Niger-Deltas aufgelehnt hatte. IranerInnen, die den Mullahs die Stirn geboten und sich nicht vom islamischen Gesetz brechen lassen wollten. Tamilen, die die Unterdrückung durch den singhalesischen Chauvinismus nicht länger dulden mochten: Sie alle verschlug das Schicksal nach Deutschland und sie alle einte eine Überzeugung: Geflohen wird aus Not und diese Not wird gemacht. Seit Jahrhunderten intervenieren die Staaten Europas und später die USA im Süden der Welt. Die Zustände dort sind das Ergebnis kolonialer und postkolonialer Unterwerfung. So profitieren sie von und tragen die Verantwortung für die Zerstörung der Länder des Südens. Hierin sieht die Karawane die Ursache von Flucht und Vertreibung, Kriegen, Hunger und Umweltzerstörung. Und dagegen im Süden wie Norden der Welt gleichermaßen zu kämpfen, ist ihr Ziel.
Zur ihrer ersten Karawane-Tour 1998 kam 2002 eine zweite, unterwegs durch die Flüchtlingslager und Innenstädte dieses Landes. Ein Netzwerk bildete sich, das mittlerweile Gruppen in elf meist westdeutschen Städten umfasst. Die Aktivisten kämpften in einer Unzahl von Fällen gegen Abschiebungen, für die Aufklärung des Feuertodes von Oury Jalloh und andere Opfer rassistischer Polizeigewalt. Immer ging es bei der Karawane vor allem darum, dass Flüchtlinge, so widrig die Umstände auch sein mögen, aufstehen und sich zusammenschließen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Denn nur so können sie sich die Würde zurückholen, die der deutsche Staat mit seinen Gesetzen ihnen nimmt.
Fast zur selben Zeit gründete sich die Schwesterorganisation, die gleichzeitig ein Teil der Karawane ist: Das „The Voice Africa Forum“ , mittlerweile umbenannt in „The Voice Refugee Forum“ aus Jena. Keimzelle von The Voice waren die Kämpfe von Flüchtlingen im Lager Jena-Forst. Bis heute ist Jena die Heimat von The Voice, doch ihrem Kampf gegen die Residenzpflicht, gegen Lager, Abschiebungen und rassistische Polizeigewalt haben sich in den letzten 12 Jahren immer mehr Flüchtlinge angeschlossen.
Die meisten von ihnen leben in ostdeutschen Lagern, und das ist kein Zufall: Nirgendwo sonst ist das Ziel der Politik gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen in Deutschland stärker spürbar. Sie durch Isolation zu schwächen, zu demütigen, eine politische Organisierung zu unterlaufen und praktische Solidarität unmöglich zu machen: Das sind die Ziele der Residenzpflicht und auch die Ziele des Lagersystems.
Wer sich hiergegen wehrt, bekommt immer wieder Repression zu spüren. Aktivisten der Karawane und von The Voice waren es, die mit Haft- und Geldstrafen und immer wieder auch mit der Abschiebung verfolgt wurden. Aufgehört zu kämpfen haben sie deshalb nie.