Die Grundgesetzänderung (§ 16 – Recht auf Asyl) und die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1993 schränkten das Recht, Asyl zu stellen, erheblich ein und brachen mit den Grundsätzen einer einheitlichen Sozialhilfe als letzte soziale Sicherung in Deutschland. Seither gibt es ein anderes Existenzminimum für Flüchtlinge, was mit eingeschränkter medizinischer Versorgung einhergeht.
Die eingeschränkte Versorgung ist allerdings nur gegen einen Offenbarung gegenüber den Ausländerbehörden und damit drohender Abschiebung möglich. Aus dem allgemeinen antirassistischen Widerstand gegen diese Zäsur entstanden ab 1994 die ersten Medibüros bzw. MediNetze oder medizinischen Flüchtlingshilfen. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Vermittlungssprechstunden einzurichten, um einer erwarteten ansteigenden Zahl von Papierlosen, aber auch Asylsuchenden (Residenzpflichtauflagen, eingeschränkte Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) eine möglichst reguläre medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Es wurden Kreise von ÄrztInnen, Hebammen, Laboren gebildet, die mit den Medibüros unentgeltlich zusammenarbeiten. Medikamente und notwendige Materialien werden über Muster oder Spendengelder bezahlt. Langfristiges Ziel ist die Eingliederung dieser Menschen in die reguläre medizinische Versorgung und damit die eigene Auflösung.
Die Medibüros agieren zwischen humanitären und antirassistischen Beweggründen und lehnen deshalb eine Bezahlung der eigenen Arbeit ab. Es geht nicht darum, sich in parallelen Strukturen einzurichten, sondern Überbrückungsarbeit zu leisten und über die politische Arbeit reguläre Lösungsstrategien zu entwickeln. Die Anzahl der MediBüros bundesweit ist im Rahmen der größeren Öffentlichkeit in den letzten Jahren rasant auf 26 angestiegen. Diese Zunahme geht mit einer größeren Heterogenität des Spektrums einher, die sich in einer größeren Spannbreite politischer Ausrichtungen zeigt.