Kompass-Newsletter Nr. 50 – Juni 2016 (pdf)
+++ 9.6. in Berlin: Demo gegen EU-Migrationspolitik +++ 10.-12.6. in Leipzig: Welcome2Stay-Gipfel +++ 11.6. in Paris: Transnational Social Strike Meeting +++ 24.-26.6. an der slowenisch-kroatischen Grenze: Defencing Festival +++ Über 1000 neue Opfer des EU-Grenzregime im zentralen Mittelmeer +++ Räumung von Idomeni +++ Roma-Aktionen für Bleiberecht in Berlin +++ Zeitung „Daily Resistance“ +++ Hotel City Plaza in Athen +++ Rückblicke: Ende Gelände +++ Ausblicke im Sommerkalender bis Juli, August: Anti-Ra-Festival in Athen, Nobordercamp Thessaloniki, No Stress Tour, Sommerbustour Women in Exile, Camp gegen Abschiebelager Bamberg +++
Liebe Freundinnen und Freunde,
Über 1000 weitere Opfer des EU Grenzregime im zentralen Mittelmeer innerhalb von zehn Tagen, kurz zuvor das Camp in Idomeni geräumt und hier die als „Integrationsgesetz“ verpackten nächsten Beschneidungen sowie arbeitsrechtlichen Disziplinierungen im Asylrecht: alles wahrlich keine ermutigenden Entwicklungen im Kampf um Bewegungsfreiheit und gleiche soziale Rechte.
Die Crew von Sea Watch erlebte ihre bislang schlimmsten Tage auf See und hat sich danach entschieden, als Anklage gegen das grausame Grenzregime das Foto eines ertrunkenen Babys zu veröffentlichen. Auch das WatchTheMed Alarm Phone wurde Ohrenzeuge einer neuen Tragödie mit wahrscheinlich über 400 Toten: dem „kalkulierten und überwachten Sterben auf See“, wie das Projekt anschließend formulierte. Und Moving Europe kann zur Zeit wenig mehr machen als die katastrophalen Zustände in den neuen griechischen Lagern zu dokumentieren und zu skandalisieren.
Ohne wärs schlimmer! Klingt nach schwachem Trost und doch wahr: Ohne die zivilen Rettungsschiffe von Ärzte ohne Grenzen, SOS Mediterranee, Sea Watch und Sea Eye, ohne die Hotline des Alarmphone gebe es unzählige Opfer mehr im Mittelmeer. Und noch weniger Öffentlichkeit, die im dominanten medialen Diskurs allerdings den Tod im Mittelmeer einmal mehr wie eine Naturkatastrophe abhandelt und wie gewohnt die „immer skrupelloseren Schlepper“ am Werk sieht.
Das Alarmphone bringt es dagegen auf den Punkt: „Wir schreien auf, einmal mehr und immer wieder. Über die Toten der letzten 20 Jahre, über die Toten gestern. Niemand müsste auf See sterben, wenn es legale sichere Zugangswege gebe. Das Sterben auf See ist keine Naturkatastrophe und kein Unfall. Es ist vielmehr das kalkulierte Produkt eines EU-Grenz- und Visa-Regime. Das Sterben auf See ist menschengemacht und könnte morgen als dunkles Kapitel der Geschichte beendet werden: mit der Öffnung der Grenzen und dem freien Zugang zu Fähren.
Der lange Sommer der Migration auf dem Balkan hat es gezeigt: sind die Grenzen geöffnet, gibt es keine ´Schlepper` mehr. Teuer und gefährlich reist nur, wer dazu von Frontex und Co gezwungen wird. Eine Welt ohne Grenzen ist möglich: sowohl Frontex wie auch die ´Schlepper` werden dann verschwunden sein. In diesem Sinne: Fähren statt Frontex.“
Vom hartnäckigen Kampf der Roma ums Bleiberecht mit aktuellen Aktionen in Berlin bis zum besetzten und von UnterstützerInnen und Geflüchteten gemeinsam organisierten Hotel City Plaza in Athen, vom erfolgreichen zivilen Ungehorsam von „Ende Gelände“ in der Lausitz bis zum andauernden sozialen Streik gegen das neue Arbeitsgesetz in Frankreich: es bleiben die Momente des Widerstands – des „Daily Resistance“, so der Titel einer neuen Zeitung selbstorganisierter Refugees in Berlin – und die gelebte Solidarität, die Mut und Hoffnung machen.
Die nächsten Wochen bieten im AntiRa-Bereich zwei spannende transnationale Mobilisierungen – zunächst Ende Juni das Defencing Festival an der slowenisch-kroatischen Grenze und dann Mitte Juli das Nobordercamp in Thessaloniki (s.u.) -, die weitere solcher Momente schaffen können. Und die jedenfalls dazu beitragen wollen, angesichts schwerer Zeiten „das kollektive Gedächtnis der kontinuierlichen migrantischen Kämpfe“ lebendig zu halten.
In diesem Sinne: See you in Berlin, Leipzig, Paris, Ljubljana, Thessaloniki …und viel
Kraft und Energie allen, die zugleich lokal die Kämpfe am Laufen halten.
Euer Kompass-Team