Kompass-Antira-Newsletter Juli 2014

+++ Marsch der Refugees und Sans Papiers in Brüssel +++ Kampf um die Schule in Berlin und Lampedusa in Hamburg +++ Time to act – Widerstand gegen Dublin II/III +++ International Migrant Struggles +++ Ab 14.7.: Floßtour mit Women in Exile +++ Weitere Vorankündigungen für die nächsten Wochen und Monate +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Für globale Bewegungsfreiheit, für Papiere für Alle und gegen Entrechtung und Ausbeutung – in diesen Forderungen trafen Refugees und Sans Papiers aus mehreren europäischen Ländern im und mit dem Marsch für Freiheit Ende Juni in Brüssel zusammen. In der zentralen Demonstration anlässlich des EU-Gipfels protestierten über 1000 Aktive gemeinsam aus dem gesamten Spektrum migranti­scher Kämpfe, in transnationaler Zusam­mensetzung, mit multlilingualen Parolen und in tanzender bis wütender, jedenfalls starker Stimmung.

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Doch von einigen weni­gen Diskussions­veranstaltungen und Arbeitsgruppen abgesehen dominierten im einwöchigen Aktionscamp interner Streit und Spannungen. Das eigentlich großartige Potential konnte selten produktiv gemacht werden, zu oft polarisierten sich inhaltliche Differenzen und unterschiedliche Organi­sierungsstrukturen in konkurrenten Posi­tionen. Auch wenn die Multitude der Bewegungen der Migration in Brüssel (noch) nicht wie erhofft zusammen hat finden können, es gab viele wertvolle Begegnungen und neue Verbindungen (siehe unten). Und wie im letzten Newsletter schon beschrieben, war im Marsch selbst eine starke transnationale Gruppe zusammen­gewachsen, deren Spuren in die laufenden und zukünftigen Kämpfe in Berlin oder Calais, nach Tunis oder Melilla hineinwirken werden…

An den EU-Außengrenzen hat der soziale Widerstand sich weiter verstärkt, Frontex – Symbol der Hochrüstung der Grenzen – steht bildlich gesehen mit dem Rücken zur Wand. Dem Überwachungsprogramm Eurosur und aller Vorverlagerung zum Trotz sind die Bewegungen der Migration weniger denn je aufzuhalten. Die sich wiederholenden Bilder stehen eindrücklich für den zunehmenden sozialen Kampf um Bewegungsfreiheit: Hunderte von Migranten attackieren und überwinden kollektiv die Zäune der spanischen Enkla­ven in Marokko. Gleichzeitig schaffen es im ersten Halbjahr 2014 rund 60.000 Flüchtlinge und MigrantInnen von Libyen über das Mittelmeer nach Italien, mehr als in ganz 2013.

Mit einem Marine­einsatz reagierte die italienische Regie­rung seit Mitte Oktober 2013 auf die Kritik am Massensterben vor Lampedusa. Weil die Boatpeople nicht nach Libyen zurück­zuschieben sind, gerät „Mare Nostrum“ – so der Name der Opera­tion – zum unfrei­willigen Rettungspro­gramm. Ein – mit ungeheurem Leid – errungener Erfolg einer steten Bewegung der Migration, aber auch Konsequenz aus den nordafri­kanischen Umbrüchen, die Europas Wachhundregime im Maghreb hinwegfeg­ten.

Auf den Marineschiffen im Mittelmeer wie auch in den Aufnahmelagern in Sizilien verweigern immer mehr Gruppen von Flüchtlingen erfolgreich die Abnahme ihrer Fingerabdrücke, der kollektive Kampf gegen Dublin II/III beginnt häufiger denn je bereits bei der Ankunft an den Außengrenzen. Und unvermindert setzt sich der Widerstand gegen diese „inneren Grenzen der EU“ an vielen Orten fort (siehe Kurzberichte). In Hessen musste Mitte Juni extra ein Kleinflugzeug gechartert werden, um Dublin-Abschiebungen nach Italien mit aller Gewalt durchzusetzen. Die drei betroffenen eritreischen Flüchtlinge hatten sich zuvor mehrfach erfolgreich dem Zwangstransport per Linienflug verwei­gert. Im rassistischen Verfolgungseifer der zuständigen Behörde spiegelt sich auch ein verzweifelter Abschreckungsversuch, damit sich der Widerstand gegen Abschie­bung nicht weiter verbreitet.

Vor diesem Hintergrund ist mit „Time to Act – Zeit zum Handeln“ unlängst ein neuer Aufruf von Welcome to Europe erschienen (siehe unten), in dem die unterschiedlichen Handlungsoptionen nochmals zusammengefasst werden. Dieser schließt mit der Aufforderung, die mögliche Rückkehr der Abgeschobenen aus Italien, Ungarn oder Polen zu unterstützen und dafür die transnationalen Netzwerkstrukturen zu verstärken. In diesem Sinne: Solidarite avec les Sans Papiers!

mit besten Grüßen,

die Kompass-Crew

Hier gehts zum Newsletter Nr. 29/Juli 2014 (pdf)