Kompass-Newsletter Nr. 49 – Mai 2016

Kompass-Newsletter Nr. 49 – Mai 2016 (pdf)

+++ Situation und Alltagskämpfe in Griechenland +++ Zivile Rettungsschiffe gegen das Sterben im zentralen Mittelmeer +++ 13. bis 16.5. in der Lausitz: Ende Gelände +++ 3.- 6.6. in Frankfurt: Seminar zu rassismuskritischen Stadtrundgängen +++ 9.6. in Berlin: No-Valetta Demo +++ 10. bis 12.6. in Leipzig: Welcome2stay Gipfel +++ 24. bis 26.6. an der slowenisch-kroatischen Grenze: Defencing Festival +++ Spendenaufruf Alarmphone +++ Wissen ist Schutz: Mehrsprachige Infomaterialien zu Arbeit und gegen Ausbeutung +++ Rückblick: No Frontex Days in Catania +++ Ausblicke im Sommerkalender bis Juli und August: Anti-Ra-Festival in Athen, Noborder Camp Thessaloniki, No Stress Tour, Sommerbustour Women in Exile, Camp gegen Abschiebelager Bamberg… +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Dieser Newsletter erscheint an einem Wochenende (7./8. Mai), an dem an vielen Orten in Deutschland und quer durch (Nord)Europa mit dezentralen Aktionen gegen das EU-Abschottungs- und Abschieberegime mobilisiert wird. Thema ist insbesondere der schmutzige EU-Türkei-Deal und die Kollaboration mit Regierungen in Transit- und Herkunftsländern. Es bleibt richtig und wichtig, die „Externalisierung des EU-Grenzregime“ immer wieder anzuklagen, denn diese Aus- und Vorverlagerung symbolisiert die „ferne“ Seite der Ausgrenzungspolitik. Gegen die „große Politik“ erscheinen diese dezentralen Proteste maximal als kleine Nadelstiche, ihre relative Unverbundenheit offenbart einmal mehr das Manko des antirassistischen Widerstandes: das Bewegen „zwischen Vielfalt und Zersplitterung“.

Ähnlich sieht es auf der hiesigen, „nahen“ Seite der Ausgrenzung aus. Vielfältige dezentrale Proteste und Mobilisierungen gegen Asylgesetzverschärfungen, gegen neue „sichere Herkunftsländer“, gegen die Abschiebung der Roma, gegen das neue alte Lagerregime und gleichzeitige Initiativen für gleiche Rechte für Alle und für „Solidarität statt Spaltung“. So wichtig die lokale Verankerung und Ausweitung der Ansätze ist, so „begrenzt“ und wenig effektiv erscheint diese Vielfalt in ihrer momentanen Unverbundenheit. Dazu ein passendes Zitat aus dem aktuellen Aufruf zum Welcome2Stay-Gipfel im Juni in Leipzig:

„Die zahlreichen Initiativen der kontinuierlichen Solidarität und grenzübergreifenden Hilfe bleiben im politischen Diskurs unsichtbar. Sie gehen unter im politischen Ping-Pong-Spiel aus Mangelverwaltung, Schwarzer Null und rechter Angsthetze und bisher ist es nicht gelungen, dem eine politisch wirksame Initiative entgegenzusetzen. Forderungen nach Umverteilung, gleichen Rechten und einer Neugestaltung der sozialen Infrastruktur für alle scheinen bisher zu leise. Die Frage ist daher: Wie lassen sich die Forderungen der lokalen Initiativen verbinden und stärken, braucht es eine gemeinsame, bundesweite Mobilisierung gegen soziale Ausgrenzung und rassistische Abschottung – für ein ´mehr für alle`? Und wie können wir langfristig Netzwerke und Strukturen aufbauen, die die praktische Hilfe mit Selbstorganisation und Selbsthilfe verbinden? Was braucht es dafür – und welche konkreten Schritte können wir dafür verabreden?“

Hoffen wir, dass der Gipfel in Leipzig (siehe unten) ein Ort wird, wo diese Fragen intensiv diskutiert und konkrete Schritte verabredet werden. Und dass gleichzeitig deutlich wird, dass wir sie immer auf einen transnationalen Rahmen beziehen müssen. Denn wir erleben quer durch Europa entlang der Migrations- und Flüchtlingsfrage eine verschärfte Polarisierung und auch wenn insgesamt das rechte rassistische Lager immer lauter und stärker erscheint, sollten wir „unseren Pol“ nicht unterschätzen. Wie schnell überraschende Dynamiken „sichere“ Einschätzungen auf den Kopf stellen, lässt sich gerade in Frankreich erleben: dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Front National kommt auf einmal ein sozialer Aufstand in die Quere, in dem die Solidarisierung mit den Sans Papiers dominiert…

Und kommen wir zum Abschluss nochmal auf den aktuellen Brennpunkt der Kämpfe zu sprechen. Es war die Hartnäckigkeit der Flüchtlinge und MigrantInnen, die den historischen Durchbruch gegen das EU-Grenzregime in der Ägäis und auf der Balkanroute 2015 möglich gemacht hat. Und es bleiben deren Alltagskämpfe, aktuell zuallererst in der Türkei und in Griechenland, die die soziale Realität auf dieser zentralen Fluchtroute nach Europe in den kommenden Monaten massgeblich prägen wird.

Es war absehbar, dass die Regierenden mit aller Gewalt versuchen würden, die Dynamik und Autonomien der Flucht- und Migrationsbewegungen zu brechen. Und das scheint momentan (6.5.16) effektiver und schneller gelungen als wir es uns noch Anfang des Jahres vorstellen konnten. „Abschreckung um jeden Preis“ ist die Devise, und unterhalb des Schießbefehls (den die neue Rechte medial bereits ins Spiel gebracht hat) wurde nahezu alles Denkbare aufgefahren: Militärische Abriegelung der Landgrenzen und Nato-Einsatz auf See, der Deal mit Erdogan und direkte Rückschiebungen in die „sichere“ Türkei.

Es bleibt weiterhin kaum vorstellbar, dass es zu erneuten Durchbrüchen kommt und nach den Erfahrungen von 2015 wird die Gegenseite auch von nichts mehr zu überraschen sein. Doch ob der Türkei-Deal mit Erdogan nachhaltig umsetzbar ist, ob und wieweit neue massenhafte Bootsüberquerungen in der Ägäis das hastig installierte Rückschieberegime blockieren werden, und was das und die anhaltenden Widerstände der Flüchtlinge in Griechenland neu in Bewegung setzen kann: viele Fragezeichen, vieles bleibt zumindest für die nächsten Monate durchaus offen. Wir sollten insofern – ebenso hartnäckig – mit kontinuierlichem Einsatz an der Seite der Betroffenen und Widerständigen bleiben.

„Umkämpfte Zeit, umkämpfte Räume“ lautet die Überschrift des neuen Spendenaufrufs des Alarmphone Projektes (siehe unten). Mag sein, dass die Fluchtbewegungen wieder für längere Zeit in die Heimlichkeit der kommerziellen Fluchthilfe und „Underground Railways“ gedrängt werden, so wie es auch die ganzen Jahre bis Mitte 2015 war. Sicher erscheint, dass der soziale und politische Widerstand gegen das EU-Grenzregime auch im Sommer 2016 auf allen Ebenen weitergeht und dass es – wie unser Kalender (ganz unten) für die nächsten Monate zeigt – reichlich Gelegenheiten an vielen Orten gibt, in den Kämpfen für Bewegungsfreiheit mitzuwirken.

Euer Kompass-Team

Kompass-Newsletter Nr. 49 – Mai 2016 (pdf)

Antira-Newsletter Nr. 48 – April 2016

Kompass-Newsletter Nr. 48 – April 2016 (pdf)

+++ Roll Back in der Ägäis? +++ Widerstand von Chios bis Idomeni +++ Tausende erreichen Sizilien +++ 15. – 18.4. No Frontex Days in Catania +++ 23.4. in Padborg: Cross the Border Dänemark +++ Aufruf Züge der Hoffnung +++ Buchempfehlung: Die Bleibenden +++ Rückblicke: overthefortress, no border actiondays Freiburg-Basel +++ Ausblicke: Welcome2stay Gipfel, Defencing an slowenisch kroatischer Grenze, Noborder Camp Thessaloniki, No Stress Tour… +++

Liebe Freundinnen und Freunde,

4. April 2016: im Schnellverfahren startet der sog. Türkei-Deal. Über 200 Geflüchtete werden von den griechischen Inseln Lesbos und Chios in die Türkei zurückgeschoben. Von Frontex durchgesetzt, massenmedial als exemplarische Aktion inszeniert. Der offene Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention egal, Abschreckung um jeden Preis. Nach der Schließung der Balkanroute nun die massenhaften direkten Rückschiebungen? Das ultimative Roll Back in der Ägäis?
Athen3003

So hätten sie es gerne und die antirassistische Bewegung sollte sich hüten, die demonstrative Macht des Grenzregime zu reproduzieren. Der 4.4. markiert zweifellos einen Einschnitt und steht für den brutalen Versuch, die Dynamik der Fluchtbewegungen mit allen Mitteln zu brechen. Doch die Alltagskämpfe werden über die soziale Realität der kommenden Zeit entscheiden. So war es in den letzten Jahren, auch die bislang großartigsten Erfolge im Kampf um Bewegungsfreiheit im Sommer und Herbst 2015 waren das Resultat der Hartnäckigkeit der sozialen Bewegungen der Flucht und Migration.

Seit vielen Jahren – und auch im „Rekordjahr“ 2015 – ist der Oktober der Monat, in dem die meisten Menschen auf den griechischen Inseln ankommen. Das sind noch sieben Monate hin. Sieben Monate also mindestens, in denen Solidarität und gemeinsamer Kampf für ein anderes, offenes Europa mehr denn je gefragt sind. Und in denen sich zeigen wird, ob und wieweit es den Herrschenden gelingt, dauerhafter ihr neues rassistisches Regime der Migrationskontrolle zu stabilisieren.
Mazedonien
Der EU-Türkei Pakt wurde mit heißer Nadel gestrickt, ob und wie lange er hält, ist schon mit zahlreichen Fragezeichen versehen. Ein neuer Durchbruch entlang der Balkangrenzen ist zur Zeit zwar nicht zu erwarten und würde absehbar mit militärischer Gewalt abgeblockt. Doch der potentielle Widerstand der Flucht- und Migrationsbewegungen bleibt nachhaltig stark, quer durch Griechenland in umkämpften Räume. Im Camp in Idomeni und bei Blockaden auf der Autobahn nach Mazedonien, in den Dutzenden neuen Lagern auf dem Festland sowie bei Protesten auf den Inseln Lesbos oder Chios, bei Demos auf den Strassen und in neu besetzten Häusern von Athen und Thessaloniki: „Open the borders“ ist überall der vieltausendfach gerufene Slogan, dessen Echo in den kommenden Wochen und Monaten Europa in Bewegung halten wird.
Das Noborder Camp in Thessaloniki vom 15. bis 24. Juli (siehe unten) könnte insofern – als Verstärker und Katalysator – genau zum richtigen Zeitpunkt kommen.

Mit solidarischen Grüßen,
das Kompass-Team

P.S. in eigener Sache: der Kompass sucht dringend ÜbersetzerInnen, insbesondere für Französisch. Bitte gerne melden.

Kompass-Newsletter Nr. 48 – April 2016 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 47 – März 2016

Kompass – Newsletter Nr. 47 – März 2016 (pdf)

+++ Balkanroute geschlossen – bis zu 15.000 Geflüchtete in Idomeni +++ Türkei-Deal und Nato-Einsatz in der Ägäis +++ AntiRa-Demonstrationen in mehreren Städten +++ 12.3. in Köln: Unser Feminismus ist antirassistisch +++ 12.3. in Freiburg: Für grenzenlose Menschenrechte +++ 19.3. in Hannover: Der rassistischen Mobilmachung entgegentreten +++ 2.4. in Bielefeld: Bewegungsfreiheit statt Abschiebelager +++ Freiburg – Basel, Italien – Österreich: Aktionen an den Grenzen +++ WatchTheMed-Alarmphone: Videoclips und Kampagnenzeitung +++ Rückblicke: Hamburg Konferenz; Safe Passages; 1. März Aktionstag gegen Grenzregime und Prekarisierung +++ Ausblicke: Defencing vom 27. – 29.5. an der slowenisch-kroatischen Grenze und Nobordercamp Mitte Juli in Griechenland; 10. – 12.6. in Leipzig: Welcome to Stay-Gipfel +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

7.3.2016 – die Polarisierung geht in eine neue Runde. Die Balkanroute quasi geschlossen, Nato-Schiffe in der Ägäis, Calais geräumt, das Asylpaket durchgepeitscht und die Rechtsextremen der AfD im Aufwind – auf allen Ebenen sind wir mit einem rassistischen Rollback konfrontiert. Das EU-Grenzregime soll mit aller Gewalt wieder aufgerichtet und die Kontrolle über die Flucht- und Migrationsbewegungen um jeden Preis wieder hergestellt werden.

Eidomeni, Greichenland - 7. März 2016Doch auch die sozialen und politischen Widerstände sind ungebrochen. 15.000 Menschen harren aus in Zelten und im Schlamm von Idomeni. Sie fordern offene Grenzen, während Tausende neue Wege nach Norden suchen. Und bislang ist es vor allem das schlechte Wetter, das die über den Winter anhaltenden Überfahrten in der Ägäis tageweise unterbricht. Gleichzeitig treffen sich in Hamburg bis zu 2000 AktivistInnen, in der Mehrzahl selbstorganisierte Gruppen von Geflüchteten. Nie zuvor gab es in Deutschland eine so gut besuchte Konferenz, auch die AntiRa-Bewegung kann einen neuen Level der Organisierung verbuchen.

Absehbar wird es in den kommenden Wochen und Monaten zu harten Konfrontationen kommen: zu heftigen Zaunkämpfen an den Außengrenzen, zu Bleiberechtskämpfen sowie zu sozialpolitischem und antifaschistischem Widerstand im Innern. Ganz Europa wird zum umkämpften Raum, in dem um den zukünftigen Charakter dieses Kontinents gefochten wird. Oder wie es die Forschungsgesellschaft Flucht und Migration in ihrem lesenswerten aktuellen Kommentar formuliert:

„Die pure Zahl der Migrantinnen an sich ist nicht das Problem, auch 5 oder 20 Millionen müssten nicht verhungern und könnten in Europa würdig versorgt werden. Die politische und mediale Inszenierung des Themas korreliert aber dennoch mit der Bedeutung des Themas, denn die Fragen, Öffnung der Grenzen oder Wohlstandsfestung, Öffnung der Gesellschaft oder Militarisierung und Schießbefehl – diese zentralen Fragen nach der Zukunft Europas stehen zur Debatte und diese Fragen werden uns durch die Migrantinnen präsentiert. Sie werden uns nicht mehr los lassen. Europa wird bewegt.“ („Europe in Limbo“, siehe http://ffm-online.org/category/kommentar/)

Mischen wir mit, mobilisieren wir mit! Für ein offenes Europa von unten, by any means necessary!

Eure Kompass-Crew

Kompass – Newsletter Nr. 47 – März 2016 (pdf)

AntiRa- Kompass-Newsletter Nr. 46 – Februar 2016

Kompass-Newsletter Nr. 46 – Februar2016 (pdf)

+++ 26.-28.2.: Refugee Konferenz in Hamburg +++ Ägäis im Januar: Hohe Ankunftszahlen, viele Tote +++ 13./14.2.: Mehrere Koordinationstreffen zur Balkanroute +++ 1. März: Transnationaler dezentraler Aktionstag gegen Grenzregime und Prekarisierung +++ Asylpaket II stoppen +++ Wider die rassistisch-populistischen Diskurse +++ Rückblicke: Sommer der Migrationen, Aktionen in Calais +++ Ausblicke: Regionalkonferenz in Frankfurt, Fähren statt Frontex Kampagne, Welcome to stay Konferenz… +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Im ersten Newsletter des neuen Jahres wollen wir einleitend drei Punkte stark machen:

Erstens: Auf nach Hamburg!
Dort findet vom 26. bis 28. Februar eine internationale Konferenz von Geflüchteten und MigrantInnen statt. „Diese selbst-organisierte Zusammenkunft soll existierende Netzwerke von Geflüchteten stärken und dazu beitragen, neue Netzwerke zu entwickeln. Außerdem soll sie die Möglichkeit bieten, die aktuelle Situation in Deutschland und Europa zu analysieren. Unser Ziel ist, uns darauf zu konzentrieren, was zusammen getan werden kann, und so vielen Stimmen, Erfahrungen und Perspektiven wie möglich Raum zu verschaffen.“
Angesichts sich aktuell zuspitzender Kämpfe und gesellschaftlicher Polarisie­rungen – von den Außengrenzen bis in die Zielländer – können wir diese Initiative für einen gemeinsamen Diskussionsraum der antirassistischen Bewegung nur schärfs­tens begrüßen. Wir hoffen sehr, dass „The struggle of refugees. How to go on? Stop war on Migrants“ – so der treffende Konferenztitel – zu einem starken Signal des weiteren Kampfes um Bewegungsfreiheit für 2016 wird (mehr siehe unten).

Zweitens: „Obergrenze, das schaffen wir nicht“
So titelt die Wochenzeitschrift Stern vom 28.1.16 einen Artikel, in dem die faktische Unmöglichkeit dargelegt wird, die Grenzen rund um Germany für Flüchtlinge effektiv zu schließen – angesichts des allgemeinen medialen Getöses zwischen „Sexmob“ und „Schusswaffengebrauch an der Grenze“ eine beachtlich nüchterne Analyse. Denn spätestens „nach Köln“ (dazu unten mehr) dominiert eine neue alte Mischung „rassistischer Hetze und Gesetze“ den öffentlichen Diskurs. Zitieren wir nochmal den Stern: „Angela Merkels Politik hat den Flüchtlingsstrom womöglich ein wenig beschleunigt, aber sie hat ihn nicht verursacht und nicht ausgelöst. Und mit der Entscheidung für eine Obergrenze kann man ihn nicht stoppen.“ Wer es nochmal genauer wissen will: Aktive aus dem Projekt moving-europe.org haben sich die Mühe gemacht, den unglaublich erfolgreichen Zyklus des „langen Sommers der Migration“ in einer detaillierten Chronologie nachzuzeichnen. Es ist mehr als empfehlenswert zu lesen, um sich der Dynamiken zu erinnern, die niemand für möglich hielt – und deren Potentialität Eu­ropa weiter in Atem halten wird! Im Januar 2016 sind über 60.000 Menschen mit Booten in der Ägäis angekommen, mitten im Winter und soviele wie im Juli letzten Jahres.
Gleichzeitig sind dort mindestens 250 Menschen auf See gestorben, mehr als je zuvor in einem Monat. Weitere Zuspitzungen an den Außengrenzen, auf der Balkanroute bis hinein in die Zielländer sind für das Frühjahr und den Sommer vorgezeichnet. Hochgradig umkämpfte Räume und Europa 2016 am Scheideweg! „Orbanisierung“ mit Hochsicherheitszäunen, Schießbefehl an den Grenzen, Ausnahmezustand, immer rechtere Regierungen und rassistische Pogrome? Oder neue Durchbrüche der Fluchtbewegungen im Kampf um Bewegungsfreiheit, transnationale „De-fencing“-Aktionen (siehe unten) für ein offenes Europa von unten, ein neuer sozialpolitischer Aufbruch? Alles erscheint möglich…

Drittens: Solidarity for All – gegen das rassistische Getöse!
„Kann der Impuls der Autonomien und Kämpfe der Migration in andere soziale Fragen übergreifen? Können die Märsche der Hoffnung Mut machen und eine neue Dynamik sozialer Kämpfe in Europa entfachen? …‚Solidarity for all‘, der Slogan emanzipativer Netzwerke Griechenlands, wäre aufzugreifen, um alle Spaltungsversuche offensiv zu bekämpfen und gleichzeitig die ‚Normalität der Austerität‘, die Politik der Sozialkürzungen und Prekarisierung neu anzugreifen. Bezahlbare Wohnungen für alle durch neue Wohnungsbauprogramme, Zugang für alle zu gesundheitlicher Versorgung und Bildung, bedingungslose Grundein­kommen und erhöhte Mindestlöhne: diese sozialen Forderungen können und müssen mit neuem Leben gefüllt werden, durch soziale Aneignung und soziale Streiks, lokal bis transnational.“
Das hatten wir in unserem Newsletter im Oktober 2015 bereits formuliert und können es nur noch einmal bestärken. Wir dürfen uns von der neuen rassistischen Welle nicht in die Defensive treiben lassen. Die erfolgreichen Kämpfe der Flüchtlinge und MigrantInnen haben die soziale Frage mit neuer Wucht auf die Tagesordnung gesetzt. Wir müssen sie in
aller Breite aufgreifen und darin neue Allianzen entwickeln. Der transnationale Aktionstag am 1. März bietet eine erste Gelegenheit auf dezentraler Ebene, „verschiedene prekäre Realitäten sichtbar zu machen und in einen gemeinsamen Kommunikationsprozess zu bringen“ (siehe unten). „Solidarity for all“ wird Anfang März der Titel einer Regionalkonferenz in Frankfurt lauten, in mehreren Städten gib es ähnliche Initiativen und für Mai ist eine große „Welcome to Stay“-Konferenz in Planung (siehe unten).
In diesem Sinne: the struggle goes on!

Eure Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 46 – Februar2016 (pdf)

Kompass-Antira-Newsletter Nr. 45 – Dezember 2015/Januar 2016

Kompass-Newsletter Nr. 45 – Dezember 2015/Januar 2016 (pdf)

+++ Aktionstag 18.12.15 +++ Moving on – ein Jahr Alarmphone +++ Eidomeni und die Balkanroute +++ Beyond Welcome: Sozialpolitische Offensive? +++ Asylgesetzverschärfungen +++ Oury Jalloh-Demo am 7.1.16 in Dessau +++ Gedenktag 6.2.16 von Rabat bis Berlin +++ Blockupy Ratschlag vom 5.-7.2.16 in Berlin +++ Neue Zeitung und Film von Afrique-Europe-Interact +++ Rückblicke: Refugee Demo Hamburg; Schlepper- und Schleusertagung; Besetzung sudanesischer Botschaft; SchülerInnenstreik Berlin; 10 Jahre Jugendliche ohne Grenzen +++ Ausblicke: Refugee Meeting in Hamburg Ende Februar 2016; Aktionstag Transnationaler sozialer Streik am 1. März 2016 +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Alles ist möglich, starke soziale Bewegungen können alles verändern. Das haben wir einmal mehr gelernt: in den Erfahrungen unseres Alarmphone Projektes und in einem unglaublichen Jahr erfolgreicher Kämpfe für Bewegungsfreiheit.“ Mit diesen Sätzen beginnt die Einleitung der Broschüre „Moving on – ein Jahr Alarmphone“ (siehe unten), in der beeindruckende Geschichten und Entwicklungen dieses wahrlich historischen Jahres aus dem gesamten Mittelmeerraum dokumentiert werden.
MovingEuropeBusDie Festung Europa wurde 2015 mehr denn je an seinen Außengrenzen geschleift, die massenhaften Überfahrten in der Ägäis haben sich zunächst in Durchbrüche auf der Balkanroute und dann weiter in Korridore bis in die Zentren der EU verlängert. Auf der gesamten Strecke haben sich spontane Welcome-Initiativen gebildet, vieles hat sich zu stetigen Unterstützungsstrukturen weiterentwickelt. Sicherlich: der „lange Sommer der Migration“ erreichte im September seinen dynamischen Höhepunkt und ist nun zunehmend mit „einem Winter der Reaktion“ konfrontiert.
Doch die Ankunftszahlen in der Ägäis sind selbst Mitte Dezember vergleichsweise hoch, Tausende bewegen sich nach wie vor täglich durch den (kontrollierten) Korridor nach Norden und wie die jüngsten Kämpfe an der griechisch-mazedonischen Grenze zeigen (siehe unten), bleibt die Balkanroute ein hart umkämpfter Raum. Es ist mehr als offen, wie es dort weitergeht in den kommenden Wochen und dann im Frühling 2016, wenn die Anzahl der Flüchtenden aller Voraussicht nach wieder zunehmen wird…

Wir hatten es in unseren beiden letzten Ausgaben als zentrale Herausforderung benannt und sind insofern mehr als erfreut, dass an vielen Orten die Notwendigkeit eines „Beyond Welcome“ verstärkt angepackt wird; dass auf Ratschlägen und in Seminaren diskutiert und sich in ersten Aktivitäten praktisch bemüht wird, über das Willkommen hinaus gemeinsame soziale Kämpfe zu entwickeln. „Frankfurt für Alle – Solidarische Stadt“ lautet beispielhaft die Überschrift einer Erklärung aus Rhein-Main zum internationalen Tag der Menschenrechte (siehe unten).
StadtfueralleEine Hausbesetzung für das Frankfurter Projekt Shelter am gleichen Tag ist zwar zunächst gescheitert, doch erst in Göttingen und nun auch in Köln konnte die selbstorganisierte Aneignung von Wohnraum gehalten werden (siehe unten). Blockupy lädt Anfang Februar zu einem Ratschlag nach Berlin ein, in dem u.a. die Möglichkeiten einer sozialpolitischen Offensive gemeinsam mit den NeubürgerInnen erörtert werden. Und wenn diese Ansätze an Dynamik gewinnen, dann dürfte der ambitionierte Aufruf zu einem Aktionstag „towards a transnational social strike“ am 1. März gerade recht kommen: „ Wir rufen alle prekär Beschäftigten, Migrant*innen und Geflüchtete, Aktivist*innen, autonome Gruppen und Gewerkschaften dazu auf, den 1. März 2016 zu einem Tag dezentraler und koordinierter Aktionen und Streiks zu machen: indem wir reguläre Produktions- und Reproduktionsabläufe stören, indem wir einen Austausch zwischen verschiedenen Arbeitsrealitäten herstellen und die oftmals versteckten Ausbeutungsbedingungen sichtbar machen, und indem wir das Grenzregime und diejenigen Institutionen attackieren, die für dieses Management von Mobilität und Prekarität verantwortlich sind“ (siehe unten).
In diesem Sinne wünschen wir schon mal einen guten Rutsch ins nächste Jahr!

Mit solidarischen Grüßen,
das Kompass-Team

Kompass-Newsletter Nr. 45 – Dezember 2015/Januar 2016 (pdf)

Antira-Newsletter Nr. 44 – November 2015

Kompass – Newsletter Nr. 44 – November 2015 (pdf)

+++ Europa am Wendepunkt – Balkan – moving-europe.org und http://live.w2eu.info/ +++ Ab 11.11. in Lesvos: Sea Watch im Einsatz +++ 11.11. in Berlin: Antimilitaristische Aktion +++ 14.11. in Hamburg: Vorbereitungstreffen Refugee Konferenz und Demo +++ 19.11. in Berlin: Refugee Schulstreik +++ 20.-22.11. in Magdeburg: Refugee-Frauenvernetzungstreffen +++  Service für Flüchtlinge +++ Alarmphone mit 100 Seenotrufen pro Woche +++ Rückblicke: Oury Jalloh, Ohlauer Schule +++ Ausblicke: Aktionstag Transnational Social Strike am 1.3.2016 +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

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Dubova, Slowenien, einer der ersten Züge auf Durchfahrt Richtung Österreich, Ende Oktober 2015

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Am Lager in Slowenien

„Indes hat sich in den letzten Monaten, auch in Verlängerung der Arabellion, eine Autonomie der Migration entfaltet. Das neue Selbstbewusstsein der MigrantInnen und die Stärke, mit der sie ihre Bewegungsfreiheit – ihr right to move – durchsetzen, werden von der EU und einer Politik der Abwehr nicht so einfach gebrochen werden können…. Die Verteidigung der Festung Europa kann nicht mehr friedlich verlaufen.

Europa steht am Wendepunkt: Sollen Hunderttausende an den Außengrenzen dem Sterben überlassen, in Lager gesperrt oder gar erschossen werden? …
Europa wird sich verändern, aber es sollte nicht in die alten Muster der Abschiebung, Internierung und Repression zurückfallen. Stattdessen könnte sich Europa öffnen und einen Prozess der Neuorientierung und Pluralisierung zulassen, der dem 21. Jahrhundert angemessen wäre. …

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Spielfeld/Österreich 30.10.15

Werden all die Menschen, die MigrantInnen hier mit großem Engagement Willkommen heißen, in der Lage sein, den verstärkten Anfeindungen von rechts und den Rückschlägen, die in den nächsten Monaten unweigerlich auf uns zukommen, zu widerstehen? Können wir vermitteln, dass Austerität und Prekarität mit Konkurrenz und rassistischen Spaltungen einhergehen? Und wird es uns darüber hinaus gelingen, Prozesse der Solidarität und gemeinsamer Kämpfe zu entwickeln? Sind wir also bereit, MigrantInnen nicht nur zu ´integrieren`, sondern mehr noch einschneidende Veränderungen zuzulassen und zu fördern, die auch unser eigenen Leben neu ausrichten werden? …“
http://moving-europe.org heisst das Kooperationsprojekt, das mit praktischen Schwerpunkten im Balkan (siehe unten) Ende Oktober gestartet ist und das sich mit diesen Zeilen um eine aktuelle Einschätzung bemüht. Und ja, die Situation ist und bleibt widersprüchlich und offen.

Einerseits: Die Rechten und Rassisten wittern eine neue Chance und mobilisieren nicht mehr nur in Dresden. Gleichzeitig ziehen die EU-Regierungen – und auch „Mama Merkel“ – auf allen Ebenen das Kontrollregime an. „Asylbeschleunigungsgesetz“, Ankündigung von Schnellverfahren und Massenabschiebungen, von Entrechtung und Registrierzonen: es fehlt nicht an „klaren Worten“ rassistischer Staatsgewalt, zaghafte Verbesserungen der letzten Jahre im Aufenthaltsrecht werden mit einem Federstrich wieder kassiert.

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Spielfeld/österreichisch-slowenische Grenze – Soliprotest 31.10.15

Andererseits: Die Herrschaften wissen, dass das meiste ihres widerwärtigen Rechtspopulismus nur Handlungsfähigkeit vortäuscht und Abschreckungsrhetorik bleiben wird. Die Ansage z.B., afghanische Asylsuchende massenhaft abzuschieben, wird sich nicht durchsetzen lassen. Aber auch Gerüchte können und sollen verunsichern. Doch die soziale Bewegung der Migration ist nach wie vor nicht zu stoppen. Der institutionalisierte Korridor mit Zügen von Serbien bis Österreich und weiter nach Germany ist kein Gnadenakt sondern installiert in Reaktion auf die Unaufhaltsamkeit der großen Fluchten. „Die EU-Kommission erwartet bis 2017 die Ankunft von drei Millionen weiteren Flüchtlingen in Europa“ (5.11.15). Das klingt danach, dass hohe Zäune und Militär keine Alternative bieten, und dass die Herrschenden – zumindest noch – in ihrer Mehrheit die Verbreitung des „Orbanismus“ vermeiden wollen. Sie wissen, dass damit das Freiheitsversprechen Europas endgültig Geschichte wäre.

Zudem bleibt die Unterstützung der Geflüchteten aus der Zivilgesellschaft ausdauernd stark, entlang der gesamten Route: Sea Watch startet die Tage Seenot-Rettungseinsätze auf Lesbos, im Balkan sind Dutzende lokaler und transnationaler Projekte am Laufen, viele Welcome-Initiativen vor Ort verstetigen sich, bis nach Skandinavien reicht die Support-Kette (siehe http://live.w2eu.info/).
Im letzten Newsletter hatten wir es bereits betont: für die kommenden Monate liegt die Herausforderung und Perspektive in der Entfaltung übergreifender, gemeinsamer sozialer Kämpfe. Also der Entwicklung einer Solidarität mit den NeubürgerInnen, die gleiche soziale und politische Rechte für Alle einfordert.
Oder wie das oben zitierte Projekt sein Engagement im Schlusssatz treffend formuliert:
„Wir wollen so dazu beitragen, den ankommenden Menschen – und damit uns selbst – den Weg in ein neues Europa offen zu halten.“

Mit solidarischen Grüßen,
das Kompass-Team

Kompass – Newsletter Nr. 44 – November 2015 (pdf)

Zwei aktuelle Ergänzungen

Ergänzend zum Newsletter möchten wir noch auf folgendes hinweisen:

Zum einen auf den neuen Text vom Netzwerk transact! zu aktuellen Kämpfen um Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung: „Über das Recht zu bleiben und zu gehen – Von Ouagadougou über Mitilini nach Nickelsdorf und weiter…“

Die Dublin-Regelung geschleift bis außer Kraft, Frontex mit dem Rücken zur Wand, Europas Grenzen außer Kontrolle: In neuer Dimension und mit anhaltender Hartnäckigkeit haben die Bewegungen der refugees und migrants das EU-Grenzregime regelrecht überrannt. … Wir sehen ein gesteigertes Potential für eine transnationale antirassistische Bewegung, die den ‚langen Sommer der Migration‘ weiter erfolgreich flankieren kann und gleichzeitig den Impuls geographisch und sozial ausweiten muss….

Der gesamte Einleitungstext und eine Collage mit Schlaglichtern auf ein Spektrum von Kämpfen im Anhang, mit Photos hier auf der Webseite: http://transact.noblogs.org/post/2015/10/03/vom-recht-zu-gehen-und-zu-bleiben/


Zum anderen auf die vielfältigen, kurzfristigen Proteste gegen die nächste Asylrechtsverschärfung, die schon in den nächsten Wochen verabschiedet werden soll:

Alle Infos/ Aufruf und updates: http://stopasyllaw.blogsport.eu/

Zusammenfassung der Verschärfungen in Eng, Frz, Arab, Port:
http://stopasyllaw.blogsport.eu/2015/10/07/organize-against-the-destruction-of-the-german-asylum-law/

Alle Termine der Proteste gegen die Asylrechtsverschärfung:

01.11.2015: Die Asylrechtsverschärfungen sollen in Kraft treten

*Bundesweiter Aktionstag (voraussichtlich Ende Oktober)*
Zum Aufruf: http://refugeeswelcomeaberauch.blogsport.eu/teilnehmende-staedte/

*24. Oktober 2015 / Köln*
Grenzen auf für alle! Solidarität mit allen Geflüchteten! / Antirassistische
Demonstration / Köln / 16h / Bahnhofsvorplatz
Mehr Infos: http://az-koeln.org/24-10-antirassistische-demonstration-fight-racism-grenzen-auf-fur-alle-solidaritat-mit-allen-gefluchteten/
/ auf facebook https://www.facebook.com/events/800768290041746/

*24. Oktober 2015 / München*
Demo „Solidarität mit allen Geflüchteten – Gegen Grenzen und
Asylrechtsverschärfung / Start 13:00 Uhr / Odeonsplatz München / Grenzen für
alle öffnen – Gegen die Asylrechtsverschärfung – Legale Fluchtwege schaffen –
Bleiberecht für alle – Keine Militäreinsätze gegen Geflüchtete – Frontex
auflösen – Waffenexporte stoppen !

*17. Oktober 2015 / Freiburg*
Niemand flieht ohne Grund! Solidarität statt Asylrechtsverschärfung! / Demo /
Start 14 Uhr / Johanneskirche
Mehr Infos: http://www.freiburger-forum.net/2015/09/all-refugees-welcome-solidaritaet-statt-asylrechtsverschaerfungen/

16.10.2015: Verabschiedung im Bundesrat

*15. Oktober 2015 / Berlin*
All refugees are welcome! Demo Gegen die Asylrechtsverschärfung / Start 17 Uhr /
Potsdamer Platz
Mehr Infos: http://bewegungsfreiheit.blogsport.de/
/ auf facebook: https://www.facebook.com/events/893049840776471

15.10.2015: 2./3. Lesung im Bundestag und Beschluß

*14. Oktober 2015 / Kiel*
Verschärfung des Asylrechts – nicht in unserem Namen!
Start 16.00 Uhr / Europaplatz
Mehr Infos: http://antiravernetzungsh.noblogs.org/
/ auf facebook: https://www.facebook.com/Dublin.kiel

*13. Oktober 2015 / Erfurt*
Stop the tightening of the asylum law against the refugees!
Start 10.00 Uhr / Staatskanzlei
Mehr Infos: http://thevoiceforum.org/node/4005

12.10.2015: Anhörung im Innenausschuß des Bundestages

*10. Oktober 2015 / Leipzig*
WAS NOCH?! Dritte Asylrechtsverschärfung stoppen! / Demo / Start 14 Uhr /
Willy-Brandt-Platz
Aufruf lesen: http://stopasyllaw.blogsport.eu/files/2015/10/demoaufruf-final_le_2015_10_10.pdf

*10. Oktober 2015 / Halle(Saale)*
Nazis stoppen – Asyl ist Menschenrecht! / Aktionen gegen rassistische Hetze in
Halle-Neustadt / Start 12:00 Uhr / Neustadt Centrum (An der Magistrale /
Neustädter Passage)
Mehr Infos: http://www.halle-gegen-rechts.de/index.php/152-nazis-stoppen-%E2%80%93-asyl-ist-menschenrecht.html
/ auf facebook: https://www.facebook.com/events/1642321166008760/

Kompass-Newsletter Nr. 43 – Oktober 2015

Kompass-Newsletter Nr. 43 – Oktober 2015 (pdf)

+++ Refugees Welcome +++ bordermonitoring.eu-liveticker und w2eu-live-blog +++ On Hope: Kämpfe der Flucht und Migration im Balkan +++ On Challenge: soziale Ausweitung! +++ Hamburg: Roma-Besetzung gegen Abschiebung +++ 2.-3.10. in Frankfurt, Köln, Bremen – Gegen die „Einheitsfeierlichkeiten“, für Bewegungsfreiheit +++ 2.-4.10. in Poznan: Konferenz zum sozialen transnationalen Streik +++ 15.-17.10. in Brüssel: Aktionstage „Oxi! Basta! Enough! Build another Europe!“ +++ 16.-18.10. in München: 2. Internationale Schlepper-Tagung +++ Geplanter Tag X im Oktober! +++ Rückblicke: Wittenberg Refugee Bike Tour against racism; Alarmphone erhält Taz Panterpreis – Laudatio von Mely Kiyak +++

„Ertrinken, meine Damen und Herren,

ist ein leiser Vorgang. Im Gegensatz zur Panik, zum Weinen, Schreien, Um sich schlagen angesichts des drohenden Todes, ist der letzte Moment des Lebens auf dem Meer so leise, dass man außer Wellengang nichts hört…“ So beginnt die verstörend-eindrucksvolle Rede von Mely Kiyak, die sie am 19. September anläßlich der Verleihung des Taz Panter Preises an das Watch The Med Alarmphone gehalten hat. (http://taz.de/Laudatio-von-Mely-Kiyak/!161089/)
Ohne lange politische Erklärung wird die Laudatio zu einer bitterscharfen Anklage, und zu einer aktuellen zugleich. Über 50 Menschen – Frauen, Männer, Kinder – sind in den letzten zwei Wochen allein in der Ägäis ertrunken. Als „leiser Vorgang“, den mensch den Verantwortlichen in Brüssel und Berlin umso lauter ins Gesicht schreien möchte…

Liebe Freundinnen und Freunde!

In Edirne protestierten in den letzten Wochen tausende Schutzsuchende für einen Fluchtweg über Land. Sie hatten zu einem Marsch auf die EU-Landgrenze nach Griechenland aufgerufen, weil sie das Sterben auf See nicht weiter riskieren wollen. Die Türkische Regierung reagierte als Wachhund: Flüchtlinge durften den Ort ihrer Registrierung nicht mehr verlassen und keine Busse mehr benutzen. Sie wurden zurückgedrängt und UnterstützerInnen werden kriminalisiert (siehe unten). Viele müssen nun doch mit dem Boot Richtung Lesbos und anderer griechischer Inseln, also erneut ihr Leben riskieren, wenn sie nach Europa gelangen wollen.
refugeesDoch haben sie diese Etappe übers Meer geschafft, ist der Weg danach für die meisten bis Deutschland oder gar Schweden in 10 bis 20 Tagen zu schaffen. Denn die Balkanroute wurde regelrecht frei gekämpft in den letzten Wochen. Keine Regierung von Mazedonien über Serbien, Kroatien, Ungarn, Österreich und Deutschland traut sich momentan, die Geflüchteten aufzuhalten. Die Angst vor neuen Massenprotesten geben den Fluchtbewegungen eine enorme Kraft, so dass zwischen Kroatien und Serbien aktuell sogar ein groß angelegter zwischenstaatlicher Fluchthilfedeal über die grüne Grenze praktiziert wird (siehe unten).

Budapest, der „March of Hope“ am 4. September, ist noch in aller Erinnerung, er markierte einen neuen Höhepunkt im Kampf um Bewegungsfreiheit. Tausende machten sich zu Fuss auf den Weg, als ihnen die Züge verweigert wurden. „Davon inspiriert kam ein neuer Schub von Refugee Welcome-Initiativen in Gang, verknüpft mit einer riesigen medialen Aufmerksamkeit, nicht nur in Deutschland und Österreich überwiegend in positiv-solidarischer Berichterstattung für die Geflüchteten. Bei allen ‚Ambivalenzen dieser Hegemonie‘ – von bisweilen uner­träglichem Paternalismus oder Nützlich­keitsdiskursen inklusive Unterscheidung in gute und schlechte Flüchtlinge – sehenmarchofhope wir ein gesteigertes Potential für eine transnationale antirassistische Bewegung, die den „‚langen Sommer der Migration‘ weiter erfolgreich flankieren kann“, formuliert das Netzwerk transact in einem aktuellen Text. „Fluchtwege offenhalten“ wird dementsprechend gefordert und gleichzeitig zwei weitere zentrale Heraus­forderungen benannt: die Thematisierung der Fluchtgründe sowie die Entwicklung übergreifender sozialer Kämpfe:
„Wie wird es weitergehen in Europa und in Deutschland? Gelingt den Herrschenden die Eindämmung der erfolgreichen Flüchtlingskämpfe? Suchen sie notfalls verstärkt den Pakt mir rechtspopulisti­schen und rassistischen Parteien und Organisationen? Gelingt eine soziale Spaltung im Unten? Das Teile und Herrsche im gegeneinander Ausspielen sozialer Bewegungen? Oder kann der Impuls der Autonomien und Kämpfe der Migration in andere soziale Fragen übergreifen? Können die Märsche der Hoffnung Mut machen und eine neue Dynamik sozialer Kämpfe in Europa entfachen? Freiheit, Würde, Demokratie, soziale Sicherheit für sich und ihre Familien…, dafür demonstrieren die Menschen auf der Flucht mit allem Einsatz, dafür lassen sie sich von Zäunen und Grenzen nicht aufhalten. Sie wollen ankommen am Ort ihrer Wahl, zumeist bei Verwandten und FreundInnen quer durch Europa, dort die Sprache lernen, vernünftig wohnen, arbeiten, leben.

‚Solidarity for all‘, der Slogan emanzipati­ver Netzwerke Griechenlands, wäre aufzugreifen, um alle Spaltungsversuche offensiv zu bekämpfen und gleichzeitig die ‚Normalität der Austerität‘, die Politik der Sozialkürzungen und Prekarisierung neu anzugreifen. Bezahlbare Wohnungen für alle durch neue Wohnungsbauprogram­me, Zugang für alle zu gesundheitlicher Versorgung und Bildung, bedingungslose Grundeinkommen und erhöhte Mindest­löhne: diese sozialen Forderungen können und müssen mit neuem Leben gefüllt werden, durch soziale Aneignung und soziale Streiks, lokal bis transnational.
Die erfolgreichen Kämpfe der Flüchtlinge und MigrantInnen haben die soziale Frage mit neuer Wucht auf die Tagesordnung gesetzt. Greifen wir sie auf, reißen wir die Grenzen nieder, in allen Ländern, in allen Köpfen!“
In diesem Sinne wünschen wir weitere tatkräftige Wochen.

P.S.: Dieser Newsletter erscheint eher zufällig am 3. Oktober, wenn überall in Deutschland und dieses Jahr besonders in Frankfurt am Main „25 Jahre Deutsche Einheit“ gefeiert wird. Das offizielle Motto lautet tatsächlich „Grenzen überwinden“, es war und ist eigentlich der pure Hohn angesichts der tödlichen Ausgrenzungs­politik, für die insbesondere die deutsche Politik seit Jahrzehnten steht. Jetzt passt der Slogan aber bestens zur Zeit, weil jeden Tag tausendfach quer durch Europa von den Menschen praktiziert, die eigentlich ausgeschlossen bleiben sollten…

RyanfairP.P.S.: Wir freuen uns sehr, dass sich mittlerweile auch berüchtigte Billigflugge­sellschaften in die Flüchtlingssolidarität einreihen
http://ryanfair.org/

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 43 – Oktober 2015 (pdf)

AntiRa-Newsletter Nr. 42 – September 2015

Ferries not FRONTEX!+++ Grenzregime überrannt, Dublin vor dem Aus!?! +++ 6.9.: Freedom Ferry in Tunis +++ 13.9. in Berlin: Blockupytreffen +++ Back to the borders III auf Lesvos +++ Werde www.fluchthelfer.in +++ Aufruf FFM zu Balkanroute und Bordermonitoring.eu zu Ungarn +++ Nobordercamp Ventimiglia +++ Sea Watch News +++ Alarmphone mit neuer Webseite und für Taz Panterpreis +++ Taschenkarte gegen rassistische Kontrollen +++ Rückblicke: Refugee-Konferenz in Hannover, “Fluchtursachen bekämpfen – Waffenexporte stoppen! in Konstanz +++ Ausblicke: 2. – 4.10. in Poznan Konferenz zum Social Transnational Strike; 15.- 17. 10 in Brüssel Aktionstage „Oxi! Basta! Enough! Build another Europe!“ ; 16. – 18.10. in München 2. Internationale Schlepper-Tagung +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Das Grenzregime ist auf breiter Front in sich zusammengebrochen. Stehen wir vor einer neuen historischen Situation im Kampf um Bewegungsfreiheit? Oder handelt es sich lediglich um einen kurzen Sommer der Migration?…“ Diese Sätze stammen aus einer neuen Initiative zur Unterstützung der Migrationsbewegungen durch den Balkan (siehe unten), und in der Tat spitzt sich die Situation in den letzten Wochen und Tagen immer weiter zu.
Der 22.8.15 markiert einen neuen Höhe­punkt: im zentralen Mittelmeer gibt es einen weiteren Rekordtag mit der Rettung von über 4.400 Boatpeople, während in der Ägäis Tausende – darunter immer mehr Frauen, Kinder, Alte und Kranke – auf den griechischen Inseln ankommen, siehe den bewegenden Bericht unten. Am gleichen Tag bringen Flüchtlinge und MigrantInnen den Versuch zum Scheitern, die mazedonische Grenze militärisch abzuriegeln: sie stürmen über die Stacheldrahtzäune, das Militär muss sich zurückziehen. Und nur zwei Tage später eine weitere Sensation: das deutsche Bundesamt für Migration lässt verlauten, dass für syrische Flüchtlinge die Dublin-Regelung „weitestgehend faktisch“ suspendiert wird! Quasi eine Kapitulation vor der Hartnäckigkeit der Betroffenen, Ausdruck jedenfalls der zunehmenden Undurchsetzbarkeit von „Dublin“. Und ein weiterer großartiger Erfolg der sozialen Bewegung der Migration.

Gleichzeitig wissen wir um die vielen Toten und Schwerverletzten auf diesem Weg. Ob ertrunken im Meer oder erstickt im LKW: Das EU-Grenz- und Visumsre­gime zwingt auf gefährliche Routen und reißt immer noch und immer wieder Menschen in den Tod. Das passiert nicht zuletzt, weil Flüchtlinge und MigrantInnen keine Fähren und – wie in Ungarn – keine Züge nutzen dürfen, siehe http://www.migszol.com/blog/let-them-board-the-trains
Die Verantwortlichen in Ministerien und Bürokratie, in Budapest aber vor allem in Berlin, sollten dafür zur Rechenschaft gezogen werden, irgendwann. Doch sie werden es nur, wenn es nicht beim „kurzen Sommer der Migration“ bleibt und wenn es der Gegenseite nicht gelingt, mit „spalte und herrsche“ die Unterscheidung in „gute und schlechte“ Flüchtlinge durch­zusetzen. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Folgen ihrer eigenen Politik, die kommerzielle Fluchthilfe, zur Ursache des Problems zu verkehren und demnächst mit Militärschlägen gegen „Schlepper­strukturen“ eine neue katastro­phale Gegenoffensive zu starten.
Seit gut 30 Jahren formiert sich das EU-Grenzregime, mit immer mehr Geld, immer mehr Kontrolle, immer mehr Frontex. Noch nie befand sich die Festung Europa seitdem derart in der Defensive, die Mauern gleichermaßen überrannt wie unterhöhlt. Momentan erscheint vieles möglich, was vor kurzem noch undenkbar war: auch dass der Kampf gegen die äußeren und inneren Grenzen noch weitere Dynamik gewinnt.

Dazu können wir – zumal in den aktuellen Zuspitzungen und Polarisierungen – eini­ges beitragen. Pegidas und Nazis keinen Raum zu geben, ist das eine. Dem rassistischen Mob, der in Heidenau, Salz­hemmendorf und in anderen Orten wütet, darf es nicht gelingen, die Debatte um Zuwanderung repressiv zu wenden. Das andere: die Selbstorganisierungsprozesse der Betroffenen unterstützen und mit und in den zahllosen neuen Unterstützungs- und WillkommensInitiativen das Recht auf Bewegungsfreiheit stark zu machen.

„Machen wir die Grenzen auf“ fordert ein Migrationsforscher in einer der letzten Ausgaben des „Stern“. Anfang August startete „Werde Fluchthelfer.in“ als neue Kampagne des zivilen Ungehorsams. Und im Mittelmeer bleibt „Fähren statt Frontex“ der zentrale Slogan. Drei Beispiele, die unten nochmal ausgeführt sind verbunden mit der Aufforderung, die Festung Europa weiter zu schleifen. Oder wie es im Bericht zu Lesvos beeindruckend formuliert ist: „Wir haben jeden Abend mit neuen Menschen gesungen und getanzt, weil diese Grenze nicht zu halten ist und alles in Bewegung.“

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 42 – September 2015 (pdf)

Kompass-Newsletter No 41 – July/August 2015

+++ 23. – 28.7. in Frankfurt: Projekt Shelter und PrekärStation +++ 2.8. in Barcelona: Invisible Borders Action +++ 15. – 27.8: Back to the borders III auf Lesvos +++ 21. – 23.8.: Break-Isolation-Days: Bundesweite Refugee-Konferenz in Hannover +++ Zum 6.9. in Tunesien: Freedom Ferry Aktion +++ Sea Watch – erste Rettungseinsätze und Situation im zentralen Mittelmeer +++ Ferries not Frontex Kampagne +++ Balkanroute, neuer Zaun und Proteste in Ungarn +++ Wie weiter nach der Asylrechtsverschärfung? +++ weitere Rückblicke: Bootsaktion in Strasbourg, Eine Woche syrische Dauerdemo in Dortmund, Die Toten kommen… in Berlin +++ Ausblick: Social Transnational Strike- Konferenz vom 2. – 4.10. in Poznan +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir sind ausnahmsweise nicht am Monatsanfang am Start und auf unserer Webseite war es bereits kurz angekündigt: wir haben uns für eine Sommer-DoppelNummer für Juli und August entschieden. Die Einleitung fällt insofern etwas länger aus, denn es ist viel passiert und es ist in mehrfacher Sicht „Hochsaison“.

Zu allererst und nachhaltig an den EUAußengrenzen

Dass sich mehr Boatpeople denn je in diesem Sommer auf den Weg machen werden, war vorauszusehen. Zugespitzt ließe sich formulieren, dass das Grenzregime zur Zeit regelrecht überrannt wird von der „Hartnäckigkeit der Migrationsbewegung“ und dass sich die kritische Öffentlichkeit zum gewichtigen Unterstützungsfaktor entwickelt hat. Beispiel zentrales Mittelmeer: hier beobachten und intervenieren, hier agieren und retten eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Projekte, als Augen- (Stichwort Sea Watch) und als Ohrenzeugen (Stichwort Alarmphone) – und dazu unten einige zusammenfassende Informationen und Links.

„Wir müssen die Toten sehen. Ihre letzte Ruhestätte soll unsere politische Unruhe werden.“ Diese entschiedenen Sätze entstammen dem sehenswerten Mobilisierungsvideo des Zentrums für Politische Schönheit (siehe unten), das Mitte Juni im Rahmen der Kampagne „Die Toten kommen“ zu einem „Marsch der Entschlossenen“ zum Kanzleramt aufriefen. Ob und wie ein wütendes Gedenken möglich ist, ob und wie solch eine künstlerische Aktion der Situation der Angehörigen gerecht werden kann, mag zu diskutieren sein. Dass sich mehr als 5000 Menschen an der Demonstration gegen „die bürokratischen Mörder in Berlin“ beteiligt haben, war ein starkes Zeichen und die Kampagne hat jedenfalls beigetragen, das fortgesetzte SterbenLassen im Mittelmeer erneut in einer breiteren Öffentlichkeit zum Thema zu machen.

Gegen das tödliche Grenzregime bleibt „Fähren statt Frontex“ unsere zentrale Forderung für sichere legale Zugangswege, eine entsprechende Kampagne wurde im Juni bei einem Treffen in Frankfurt ins Leben gerufen (siehe unten). Diese muss sich auf das gesamte Mittelmeer und damit auch auf die Ägäis beziehen, in der immer wieder Menschen bei der Überfahrt kentern und ertrinken. Auf den griechischen Inseln sind mittlerweile mehr Menschen angelandet als in Italien, die aktuelle Situation gleicht einem Notstand. Wer es dann endlich weiter nach Athen schafft, ist mit den verschlossenen innereuropäischen Grenzen konfrontiert und Tausende haben keine andere Wahl, als sich über die Balkanroute nach Mittel- und Nordeuropa durchzuschlagen. An der griechischmazedonischen wie auch an der serbischungarischen Grenze spielen sich unglaubliche Dramen ab, wenn Flüchtlinge und MigrantInnen auf brutale Grenzbeamte und demnächst auch neue Zäune treffen. Gleichzeitig ist bemerkenswert, dass sich an vielen Orten auf dieser Route neue Unterstützungsnetzwerke entwickeln (siehe Berichte unten zu Ungarn und zu Griechenland).

„Dublin ist faktisch fast tot“

Statistisch klafft die Zahl der Überstellungsgesuche z.B. nach Ungarn oder Italien mit den faktischen Rückschiebungen immer weiter auseinander. Auch hier war und ist es in erster Linie die Hartnäckigkeit der Migrationsbewegung, die diese EUVerordnung regelrecht unterminiert hat. Flüchtlinge und MigrantInnen wehren sich auf allen Ebenen gegen diese innereuropäische Vorverlagerung der Grenze. Wo immer möglich, wird die Abgabe des Fingerabdrucks schon im Ankunftsland verweigert, und wo eine Abschiebung nach Budapest oder Rom mit Gewalt durchgesetzt wurde, kommen die Betroffenen zurück und versuchen es erneut. Zahllose Rückschiebungen werden juristisch erfolgreich angefochten, durch Kirchenasyle unmöglich gemacht oder durch direkte Blockaden verhindert. Der Versuch, auf EU-Ebene mit einer zahlenmäßig eher symbolischen Quotenverteilung dieser Krise gegenzusteuern, ist in den vergangenen Wochen ebenfalls gescheitert. Dublin wirkt momentan wie eine hohle Drohkulisse, die aus Prinzip und zwecks Einschüchterung von den Herrschenden noch verzweifelt aufrechterhalten wird, aber dessen Dysfunktionalität offensichtlicher denn je ist (dazu ausführlich die neue Ausgabe von http://www.hinterland-magazin.de/).

Die bittere Niederlage Asylgesetzverschärfung

Doch wir wollen das Gesamtbild keinesfalls zu rosig zeichnen: Dublin wird noch immer in Einzelfällen, wie aktuell gegen einen Refugee-Aktivisten in Hannover, mit Abschiebehaft durchzusetzen versucht und eben als Drohmittel erhalten. Dazu kommt, dass – wie befürchtet – Anfang Juli im Bundestag das neue „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ verabschiedet wurde (siehe unten). Es eröffnet den Abschiebebehörden neue Spielräume der Inhaftierung insbesondere in DublinVerfahren. Der große Erfolg der letzten Jahre, die Abschiebehaft weitgehend niedergerungen zu haben, ist damit in Frage gestellt. Und diese Niederlage führt uns eindrücklich die Grenzen der antirassistischen Bewegung vor Augen. Dezentral, vielfältig und in neuen Zusammensetzungen hat sich der Widerstand gegen Ausgrenzung und Abschiebung in den letzten Jahren rasant entwickelt, doch zu einer starken koordinierten Initiative gegen ein neues Bundesgesetz reicht es nicht. Das bleibt eine der wesentlichen Herausforderungen der antirassistischen Linken.

„Oxi“ zum Krisen- und auch zum Migrationsregime…

Die zweite Herausforderung liegt in der Ausweitung der inhaltlichen und praktischen „Brücken“ in andere gesellschaftliche Felder. Beispiel Griechenland: Mehr als beeindruckend, wie das Oxi, das Nein des Referendums, durch eine Mehrheit der griechischen Bevölkerung der Austeritätspolitik der Institutionen entgegengesetzt wurde. Am 20.6. gab es u.a. aus dem Blockupy Spektrum den Versuch, in Berlin eine Großdemo zu organisieren, die die Solidarität mit Griechenland und mit Geflüchteten zusammenbringt. Die Mobilisierung blieb relativ bescheiden, wie auch aktuell – nach dem erfolgten Erpressungsdiktat unter deutscher Knute – zwar in vielen Städten zum Protest aufgerufen wird, aber dieser jeweils über zu kleine Spektren nicht hinauskommt. Das Mobilisierungsproblem würde sich durch eine stärkere Beteiligung der AntiRa nicht lösen, aber gerade an Griechenland, dem aktuellen zentralen Brennpunkt der migrantischen Kämpfe in Südeuropa, ließe sich die Verbindung besonders nahe herstellen. Welcome to Europe hatte vor dem Referendum ein Statement verbreitet, siehe: https://www.facebook.com/notes/welcometo-europe/a-no-is-a-yes-for-a-social-anddemocratic-europe-forall/930463680329738 Doch weitere praktische Verknüpfungen kommen bislang kaum zustande.

Aus der internationalen BlockupyVernetzung ist eine Initiative entstanden, die wir im letzten Kompass Newsletter schon erwähnt hatten und die der AntiRaBewegung einen weiteren verbindenden Ansatz anbietet. Unter dem Begriff des „sozialen transnationalen Streiks“ wird zu einem übergreifenden Prozess eingeladen. Im aktuellen Aufruf zu einer Konferenz im Oktober in Poznan (siehe unten) heißt es: „Ein neues Mobilitätsregime erzeugt Hierarchien zwischen und innerhalb europäischen Regionen und versucht, die Bewegungen der Migrant*innen von innerhalb und außerhalb der EU einzuschränken. Die globalen Produktions- und „Care-Work“- Ketten, die kreuz und quer durch Europa verlaufen, nutzen die unterschiedlichen Lohnniveaus und Arbeitsgesetzgebungen zum Zwecke des Profits. … Aktuell finden zahlreiche Kämpfe um Löhne, Wohnraum, Zugang zu den Sozialsystemen und um Bewegungsfreiheit in Europa statt. Sie wenden sich von verschiedenen Seiten aus gegen den aktuellen Angriff auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Angesichts der transnationalen europäischen Dimension dieses Angriffs wird offensichtlich, wie notwendig die Überwindung ihrer Isolation und wie wichtig es ist, gemeinsame Prioritäten zu finden.“

Mit antirassistischen Grüßen,

das Kompass-Team

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