Kompass-Newsletter Nr. 40 – Juni 2015

+++ Tag X – Asylrechtsverschärfung stoppen! +++ 10.6. in Strasbourg: Ein Boot für das EU-Parlament +++ 12.6. in Hamburg: Veranstaltung zu Arbeit und Migration +++ 13.6.: Demo für Projekt Shelter in Frankfurt sowie Demos in Italien +++ 14.6. in Frankfurt: Netzwerktreffen zu Fähren statt Frontex +++ Ab 15.6.: Internationale Aktionswoche gegen Abschiebeknäste +++ 19. – 21.6. in Berlin: Konferenz von Women in Exile +++ 20.6. in Berlin: Grossdemo Blockupy and more – Europa anders machen +++ 24.6. in Mainz: Demo gegen IMK +++ 30.6. in Essen: Demo gegen European Homecare und für Bewegungsfreiheit +++ Rückblicke: Anti Frontex Tage in Warschau, Ohlauer Schule bleibt, Büren +++ Ausblicke: Freedom Ferry am 6.9. aus Tunesien, Social Transnational Strike- Konferenz vom 2. – 4.10. +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Am 30. Mai wurde in den Medien über offizielle Stellen bekannt gegeben, dass am Vortag 4243 Menschen im zentralen Mittelmeer gerettet wurden, eine neue Rekordzahl für 2015. 22 Rettungseinsätze fanden am 29.5.15 statt und 17 Tote wurden geborgen. Zahlreiche Marine- und Küstenwachenboote wie auch Frachtschiffe waren an diesem Großeinsatz beteiligt. Wir anerkennen die Bemühungen der Rettungskräfte und Bootsbesatzungen, die alles unternommen haben, um über 4000 Menschen zu retten. Gleichzeitig trauern wir über die 17 Opfer. Sie könnten leben, wenn es sichere Wege nach Europa gebe.“
So lauten die Schlusssätze eines aktuellen Berichtes des Watch The Med-Alarmphones (siehe http://watchthemed.net/reports/view/135 ), bei dem zur Zeit täglich Notrufe von Bootsflüchtlingen eingehen. Sie kommen nicht nur aus dem Meer vor Libyen sondern auch von kleinen Booten, die versuchen, die Strasse von Gibraltar – also von Marokko nach Spanien – zu überqueren oder von der Türkei aus die griechischen Inseln zu erreichen. In der Ägäis sind die Ankunftszahlen ebenfalls auf Rekordhöhe, aber auch dort ertrinken immer wieder Menschen bei der riskanten Flucht. „Fähren statt Frontex“ (siehe Kompass Nr. 39) ist und bleibt das Gebot der Stunde!

„Sicherer Zugang statt wahnwitziger Militäreinsätze“ muss aktuell ein zweiter Slogan lauten, denn – wie von Wikileaks im Wortlaut enthüllt – würden die EU-Verantwortlichen bei ihren Kriegsplanungen gegen „Schlepperstrukturen“ in Libyen einmal mehr alle „Kollateralschäden“ in Kauf nehmen. Dass neben den zahlreichen zivilen Schiffen (Moas, Medicine Sans Frontier und demnächst die Sea Watch) vermehrt Marineschiffe (aus UK, Island, Frankreich, Deutschland…) an Rettungseinsätzen beteiligt sind, ist zunächst als Erfolg der hartnäckigen Migrationsbewegung sowie der sozialen Proteste und kritischen Öffentlichkeit zu verbuchen. Große NGOs können angesichts des anhaltenden Mitgefühls weiter Teile der Bevölkerung viele Spenden einwerben, um die teuren Einsätze zu finanzieren. Und nachdem die Bundesregierung von einer Aufstockung der Rettungskapazitäten noch kurz nach den letzten Tragödien nichts hören und jede eigene Beteiligung kategorisch abgelehnt hatte, sind seit 8.5. nun zwei Marineschiffe vor Ort im Rettungseinsatz und ausdrücklich der Leitstelle in Rom angeschlossen und nicht Warschau mit der Frontex Operation Triton.

Das wäre undenkbar ohne den massiven politischen öffentlichen Druck der vergangenen Wochen, von den Reedern mit ihrer sehr eindrücklichen Erklärung über die Statements von Pro Asyl, Sea Watch und Alarmphone (u.a. für Radio Vatikan!) und nicht zuletzt den vielfältigen Protesten auf der Strasse. Ob am 10.6. in Strasbourg oder am 20.6. in Berlin (siehe Kalender unten), jetzt geht es darum, diesen Druck aufrecht zu erhalten und dabei insbesondere die geplanten Militäreinsätze gegen potentielle Flüchtlingsboote und „Schlepper“ als „infame Verlängerung der Schande Europas“ zu denunzieren.
Und einmal mehr: verbinden wir diese Kämpfe gegen die tödlichen EU-Außengrenzen mit den Protesten gegen die inneren Grenzen! Denn derzeit wird im Bundestag das Gesetz zur „Neuregelung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ verhandelt. Der Gesetzesentwurf enthält absolut inakzeptable Verschärfungen im Aufenthaltsrecht, die die massive Ausweitung der Inhaftierung Schutzsuchender zur Folge hätte. Dass die Verabschiedung schon mehrfach verschoben wurde, kann als positives Zeichen des Zauderns gewertet werden, doch die Wiedereröffnung der Abschiebehaft in Büren markiert den absehbaren Weg der „Reform“. Deshalb unten nochmal der Last-Minute-Appell des Niedersächsischen Flüchtlingsrates zum Mit- und Druckmachen auf die Abgeordneten.
Schließlich: am 13.6. findet in Frankfurt eine „Project-Shelter-Demo“ statt, die die Obdachlosigkeit von Flüchtlingen und MigrantInnen thematisiert. Gefordert wird ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum und die Bereitstellung von sozialem Wohnraum (siehe unten). Die Verbindung, die zur allgemeinen sozialen Frage des Wohnens aufgemacht wird, erscheint uns mehr als notwendig. Denn vermehrt wird von oben versucht, erforderliche Leistungen im Flüchtlingsbereich angesichts der höheren Zugangszahlen durch Kürzungen an anderen Stellen im Sozialbudget zu finanzieren und diese gegeneinander auszuspielen. Und genau das würde Pegida und Co in die Hände spielen.

Das gleiche gilt für den Arbeitsmarkt: gegen die dortigen Spaltungen und eine vermeintliche Konkurrenz um Arbeitsplätze muss die allgemeine Prekarisierung und darin die besondere Ausbeutung von MigrantInnen thematisiert werden. Hierzu hatten sich in den letzten Jahren in einigen Städten zunächst „MigrAr“(Migration und Arbeit)-Anlaufstellen gebildet, die mittlerweile durch gewerkschaftliche Vollzeit-Beratungsbüros (der „Fairen Mobilität“) für südosteuropäische WanderarbeiterInnen ausgeweitet wurde. Unten finden sich dazu in einem Block einige Termine, Informationen und Links sowie auch ein Verweis auf den transnationalen Ansatz des „Social Strike“, der aus dem internationalen Blockupy-Netzwerk entstanden ist und in dem migrantische Arbeitskämpfe gegen das „government of mobility“ eine zentrale Rolle spielen.

Mit antirassistischen Grüßen,
Das Kompass Team

P.S.: Der Start der Aktionen gegen den G-7-Gipfel in Elmau fällt genau in unseren Redaktionsschluss. Zu spät, nochmal zu mobilisieren, und zu früh zu bilanzieren. Wir hatten im letzten Newsletter die Anti-G-7-Infotour erwähnt und werden im nächsten darauf zurückkommen.

Kompass-Newsletter Nr. 40 – Juni 2015 (pdf)

Antira-Newsletter Nr. 39 – Mai 2015

+++ Fähren statt Frontex +++ Bustour der Refugees vom O-Platz +++ 8. – 10.5. in Berlin: Blockupy Perspektiven +++ 14. – 17.5. in Münster: BUKO 37 +++ Ab 14.5.: Tour für für Bewegungsfreiheit, Autonomie und Gutes Leben +++ 19. -22. Mai in Warschau: Anti-Frontex-Tage +++ Rückblicke auf den Widerstand gegen Asylgesetzverschärfung: Besetzungen, Demos, SchülerInnenstreik +++ Ausblick: 10.6. in Strasbourg: Aktionstag für Bewegungsfreiheit +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Fähren statt Frontex!“ – So lautet die unmittelbare Reaktion des Watch The Med Alarmphones am 19.4. auf die – mit über 900 Toten – bislang größte Flüchtlingstragödie im Mittelmeer. Das transnationale Hotline-Projekt, das seit über sechs Monaten rund um die Uhr Boatpeople unterstützt, benennt in seiner Pressemitteilung, wer diesen Massentod auf See zu verantworten hat. Und in einem Folgetext wird erläutert, warum selbst ein zweites Mare Nostrum nicht ausreicht, sondern dass – wenn dem Sterben im Meer wirklich ein Ende gemacht werden willl – ein Fährdienst das Gebot der Stunde ist (siehe unten).

Der neue 10 Punkte Plan der EU ist – von ein paar mehr Rettungsbooten abgesehen – ein reines Repressions- und Vorverlagerungsprogramm. Doch es hängt nicht zuletzt am öffentlichen Druck, was wie nun umgesetzt wird. Die kritische Öffentlichkeit gegenüber der mörderischen EU-Abschottungspolitik reichte die letzten zwei Wochen bis in weite Teile der Massenmedien. Kritische Stimmen waren jedenfalls überall gefragt. Selbst ein UNHCR-Mann thematisiert Fähren als besseren Weg, und in einem Videoclip wirft ein schwedischer Arzt die zunächst einfache und letztlich sehr grundsätzliche Frage auf, warum Bootsflüchtlinge nicht billiger fliegen statt teuer ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Die Antwort ist klar: das EU-Visumsregime ist das Problem (Siehe Verweise unten).

Das Recht auf Bewegungsfreiheit ist und bleibt unser zentraler Ansatz gegen das tödliche unmenschliche Grenzregime. Für das Mittelmeer kursiert der konkrete Vorschlag für eine „humanitäre ungehorsame Fähre“, gleichzeitig und damit verbunden geht der Widerstand gegen die inneren Grenzen der EU weiter. Die Refugee Bus Tour ist aktuell unterwegs in zahlreichen Städten der BRD, um vor allem die selbstorganisierten Strukturen der Flüchtlinge und MigrantInnen zu stärken. Vielerorts kam und kommt es diese Tage zu bereits länger geplanten Aktionen gegen die neuen Aslygesetzverschärfungen, und diese verschmelzen wiederum mit den aktuellen Protesten gegen das Sterbenlassen auf See.

In der gesellschaftlichen Polarisierung, die sich momentan an der „Flüchtlingsfrage“ auftut, befindet sich die Mischung aus selbstorganisierten und linken antirassistischen Gruppen in einer stärkeren Position als in den Jahren zuvor. Ob und wie weit es gelingt, konkrete Verbesserungen in der Migrationspolitik durchzusetzen oder damit gar gesamtgesellschaftliche Dynamiken „für mehr Gerechtigkeit“ zu entfachen, wird sich womöglich in den zu erwartenden Zuspitzungen der nächsten Monate zeigen. Die Chancen standen schon schlechter, die Zeiten waren selten offener…

In diesem Sinne mit solidarischen Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 39 – Mai 2015 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 38 – April 2015

+++ Ab 8.4.: Internationaler Aktionstag der Roma +++ 10.4. – 18.4.: Aktionswoche gegen Asylgesetzverschärfung +++ 16.4. in Wittenberg: Infotour der von Inhaftierung bedrohten Flüchtlingsaktivisten aus Schwäbisch Gmünd +++ Ab 18.4.: Bustour of Refugees vom O-Platz +++ Stoppt die Räumung der Geflüchteten der Gerhart-Hauptmann-Schule +++ Frankfurt, Erfurt, Hildesheim, Merseburg und immer wieder Osnabrück: Abschiebeverhinderungen überall +++ Rückblick: Kämpfe gegen Abschiebehaft in UK und Griechenland, Blockupy 18Null3 +++ Ausblicke: Sea Watch vor dem Start; BuKo und G7-Tour im Mai; Recht auf globale Bewegungsfreiheit: vom WSF in Tunis bis zu Aktionstagen im Juni …+++

Liebe Freundinnen und Freunde!

„Liberte de Circulation“, das Recht auf globale Bewegungsfreiheit, war nicht zufällig das zentrale Thema in den migrationsbezogenen Workshops und Versammlungen des Weltsozialforums Ende März in Tunis. Ob und wie weit sich der dort verabschiedete Vorschlag, ab sofort jeweils für Mitte Juni zu einer transnationalen Aktionswoche für Bewegungsfreiheit aufzurufen, praktisch um- und durchsetzen lässt, mag zunächst zweitrangig bleiben. Wichtiger erscheint, dass sich damit selbst in der Agenda großer NGOs politisch widerspiegelt, was sozial und alltäglich die Situation längst bestimmt: der anhaltende und erfolgreiche Kampf gegen die äußeren und inneren Grenzen der EU.
Die aktuellen Ankunftszahlen (März 2015) sind sowohl im zentralen Mittelmeer wie auch in der Ägäis im Vergleich zum Vorjahr nochmal gestiegen. Frontex steht mit dem Rücken zur Wand, dem Grenzregime steht ein wahrlich „heißer“ Sommer bevor. Und gleichzeitig gehen im Innern der EU die Proteste gegen Haft, Lager und Abschiebungen weiter, dazu unten einige – auch internationale – Berichte sowie neue Aufrufe und Termine, die sich in Deutschland insbesondere gegen die geplanten Asylgesetzverschärfungen richten.

Wie vor einigen Monaten in unserem Newsletter bereits selbstkritisch bemängelt, hätte angesichts der Vielfalt antirassistischer Initiativen die Kampagne gegen „das Schärfste und Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit langem eingefallen ist“ (Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung) sehr viel stärker ausfallen können und müssen. Doch eine übergreifende Koordination fehlt(e), und es steht zu befürchten, dass dieses neue Machwerk der Inhaftierung und Ausgrenzung nun im Mai vom Bundestag ohne öffentlich erkennbaren Widerstand verabschiedet wird. Insofern hier nochmal die Aufforderung zur kreativen Teilnahme an den Aktionstagen jetzt im April.

Geradezu beispielhaft entwickelt sich hingegen der Widerstand gegen einen anderen Pfeiler des Grenzregime. Bundesweit hat sich mittlerweile die Praxis kollektiver Abschiebeverhinderung verbreitet. Von Osnabrück über Frankfurt, Erfurt, Hildesheim bis Merseburg: wenn die Polizei Flüchtlinge am frühen Morgen in den Wohnheimen vorangekündigt abholen will, stellen sich Dutzende bis Hunderte Menschen quer und bilden – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Wand der Solidarität gegen das tägliche Unrecht der Abschiebung. Weiter so!

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 38 – April 2015 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 37 – März 2015

+++ 7.3. in Potsdam: Keine Lager für Frauen! Alle Lager abschaffen! +++ 18Null3 – nimm Dir frei: Noborder goes Blockupy III in Frankfurt +++ Ab 24.3. in Tunis: Weltsozialforum +++ 27.3. in Hamburg: Farewell für Sea-Watch-Projekt +++ Kriminalisierung wg. Widerstand gegen Residenzpflicht in Schwäbisch Gmünd +++ Protest gegen Sammelabschiebungen in Ba-Wü +++ Netzwerk „Europa für Alle“ +++ Griechenland – Wenn Wahlen was ändern können? +++ Rückblicke: transnationale Aktionstage in Berlin, Tanger; „Push Back Frontex“ gegen Rösler-Rede +++ Ausblick: 10. bis 18.4.: Aktionswoche gegen die Verschärfung der Asylgesetze +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Die Tage der Erstellung dieses Newsletters: am 28.2. demonstrieren bis zu 5000 Menschen in Dresden gegen Rassismus und für gleiche Rechte für Alle (siehe www.feb28.net); „Freie Fahrt am Brenner“ fordern am 1.3. NoborderaktivistInnen in einer Aktion gegen rassistische Kontrollen und Rückschiebungen von Österreich nach Italien (www.plattform-bleiberecht.at); und am 2.3. versammeln sich aktive Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd, um gegen ihre Kriminalisierung wegen zivilem Ungehorsam gegenüber der Residenzpflicht zu protestieren (s.u.).
Nichts davon war uns Ende Januar bekannt, um es im letzten Kompass bereits anzukündigen. Kurzfristig bis spontan kommt es nahezu täglich zu Aktionen und Mobilisierungen gegen die inneren wie äußeren Grenzen der EU. Einen deshalb sicherlich unvollständigen Aus- und Rückblick haben wir erneut in diesem Newsletter zusammengestellt.

Zuvor zwei grundlegendere Anmerkungen und die erste als Zitat aus einem aktuellen Text der Forschungsgesellschaft für Flucht und Migration:
„Die Festung Europa ist nicht mit den Kreuzzügen oder der Reconquista entstanden. Sie ist nicht 500 Jahre, sondern 20 bis 25 Jahre alt. Sie dient der Aufrechterhaltung des sozialen Grabens am Mittelmeer, der in den letzten zwei Jahrzehnten so tief geworden ist wie nie zuvor in der mehrtausendjährigen historisch bekannten Geschichte des Mittelmeerraums. Die Lebensverhältnisse zwischen Südeuropa und Nordafrika befinden sich zur Zeit im Verhältnis 1:13. (…) Angesichts der Krise, die die Festung Europa am Mittelmeer derzeit erlebt, wäre es Zeit, in die Zukunft zu blicken: Man möchte sagen, dass die Festung Europa eines Tages nur noch eine Fußnote der Geschichte sein wird – wären da nicht die abertausenden Toten, die die Abschottung der Europäischen Union produziert hat, und das Leid, das die Verarmungsprozesse auf der südlichen Mittelmeerseite erzeugt haben. Das Sterbenlassen im Mittelmeer, die Verwandlung des Mittelmeers in ein Massengrab in unseren Tagen, wird als Schande Europas und als Verbrechen an der Menschheit erinnert werden.“ (Siehe http://ffm-online.org/2015/02/12/die-krise-der-festung-europa/#more-28412)
Den historischen Kontext derart aufzureißen, halten wir angesichts der intensiven aktuellen Bewegungen und Kämpfe der Migration für eine wichtige und spannende Betrachtungsweise.

Die zweite Anmerkung: wir haben mit Blockupy und der Initiative „Europa für Alle“ in diesem Newsletter zwei Punkte aufgenommen, die die gesellschaftliche Spannbreite widerspiegeln, in der wir die migrantischen und Flüchtlingskämpfe (auch immer wieder) verorten wollen. Ob in der Verbindung zwischen dem Widerstand gegen Krise und Grenze oder ob im Zusammenbringen der Kämpfe gegen rassistische und ausbeuterische Verhältnisse der EU-internen (Arbeits-)Migration, beide Komplexe stehen für das notwendige Bemühen der sozialen Ausweitung antirassistischer Initiativen.

Mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 37 – März 2015 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 36 – Februar 2015

5. – 8.2. in Berlin, Düsseldorf,Tanger und Ceuta: transnationale Aktionstage gegen den Krieg gegen MigrantInnen +++ 14.2.2015 Refugee Protest Camp Hannover goes Berlin +++ Ab 25.2.: Push Back Frontex – Kampagne am Start +++ Refugee Aktivisten im Knast +++ Zum Tod von Khaled Idris Bahray +++ Griechenland – Wenn Wahlen was ändern können? +++ Am 18.3. in Frankfurt: Blockupy gegen EZB +++ Rückblick Oury Jalloh- und Hamburg Demo +++ Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze +++ Neue Stop-Dublin-Kampagne von Pro Asyl +++ Ausblick zum März: ab 24.3. zum Weltsozialforum in Tunis …

Liebe Freundinnen und Freunde!

Dem vollen Inhaltsverzeichnis ist es bereits zu entnehmen: ziemlich viel los und reichlich zu berichten im Februar. Neben einer Reihe von überregionalen Terminen, die wir – eingeleitet mit den transnationalen Aktionstagen zum Jahrestag der Ceuta-Opfer – im Anhang bewerben, laufen oder starten gleich drei Kampagnen. Dass und warum die Asylgesetzesverschärfungen bekämpft werden müssen, hatten wir in den letzten Newslettern schon thematisiert, die Verhinderung der Etablierung neuer Abschiebehaftgründe bleibt entscheidend im Widerstand gegen die hiesige Abschreckungspolitik.
Dieser Fokus schlägt zudem die Brücke zur zweiten unten vorgestellten Kampagne: gegen die Dublin-Verordnung. Pro Asyl hat sie im Januar gestartet und neben dem juristischen und praktischen Widerstand gegen Abschiebungen nach Italien und Südosteuropa sowie der weiteren Stärkung von Kirchenasylen geht es nicht zuletzt gegen neue Haftgründe im Dublin-Verfahren.

Bestehendes und geplantes Asyl-Unrecht – wo könnte es gerade besser thematisiert und attackiert werden als auf den Anti-Pegida-Demonstrationen. Denn es ist doch einerseits mehr als erfreulich, dass mit Ausnahme weniger Städte im Osten der rechte Mob auf der Straße nicht Fuß fassen kann, dass vielmehr von Lübeck bis Freiburg den wenigen hundert Rassisten kurzfristig mehrere tausend Ge­gendemonstrantInnen gegenüberstehen. Doch wie im letzten Kompass bereits formuliert: es bleibt andererseits die Gefahr, dass im Windschatten dieser breiten Proteste – während sich alle Medien und selbst Merkel von den „frem­denfeindlichen Aufläufen“ distanziert – unbemerkt die genannten Verschärfungen durchgezogen werden. Machen wir also diese Scheinheiligkeit überall zum verstärkten Thema, und stellen wir diejenigen – insbesondere bei SPD und Grünen – zur Rede, die mitverantwortlich sind, wenn Flüchtlinge erneut hinter Gittern landen sollen, weil sie keine oder nicht die richtigen Papiere haben. Dass widerständige Refugees immer wieder wegen ihrer Proteste eingesperrt werden, sollte dabei nicht vergessen werden und findet unten ebenfalls Erwähnung.

Kommen wir noch kurz auf die dritte, in Planung befindliche Kampagne zu sprechen, die sich aus aktuellem Anlass gegen die EU-Grenzschutzagentur richtet. „Push Back Frontex“ ist der Titel und wir hatten den „Skandal im Skandal“ im Januar-Newsletter schon zur Sprache gebracht. Es ist ein deutscher Grenzschützer, Klaus Rösler, der im Namen von Frontex die italienischen Behörden wegen ihrer Rettungspolitik im zentralen Mittelmeer kritisiert und quasi öffentlich zum Sterben-lassen aufruft. Dazu soll ab 25.2., wenn besagter Frontex-Mann in Berlin beim Polizei­kongress auftritt, eine mehrmonatige Kampagne starten. Hintergrund dieser Initiative sind nicht zuletzt die konkreten Erfahrungen des WatchTheMed-Alarm­phones, wie sie auf http://watchthemed.net/ regelmäßig doku­mentiert werden. Und erklärtes Ziel ist, die Grenzschutzagentur, die am 1.5.15 ihr zehnjähriges Bestehen feiern will und deren Auflösung wir weiter unmissverständlich fordern, zumindest in diesem Bereich der Außengrenze effektiv zurückzudrängen.
Gleichzeitig tut sich Spannendes an einer anderen Außengrenze, an der Frontex die Push Backs, die illegalen Rückschiebun­gen der dortigen Küstenwache, seit Jahren politisch deckt: in Griechenland. Mit dem grandiosen Sieg von Syriza, der „Koalition der radikalen Linken“, in den vorgezogenen Wahlen im Januar tun sich neue Räume der Veränderung auf, nicht nur im Kampf gegen die brutale Austeritäts- und Krisenpolitik sondern auch gegen das unmenschliche Haft- und Grenzregime. Obwohl Syriza eine Koalition mit den Rechtsnationalisten der sog. „Unabhängi­gen Griechen (Anel)“ eingegangen ist (oder mangels Alternativen eingehen musste), spricht momentan einiges dafür, dass mit der bisherigen Abschreckungs- und Internie­rungspolitik der Vorgängerregierungen gebrochen wird (siehe Link unten). Es wird sich in den kommenden Wochen erweisen, ob Wahlen doch bisweilen et­was ändern können.

Gewiss ist hingegen, dass die Machtinstitutionen in Brüssel, Berlin und Frankfurt alles an Erpressungs- und Druckmitteln anwenden werden, um die neue griechische Regierung in der Krisen- wie in der Migrationspolitik auf den EU-Linien der Ausbeutung und Ausgrenzung zu halten. Nicht unbedeutend ist also, was – wie bereits in diesen Tagen in Spanien – im sonstigen Europa an Solidaritätsprotesten gegen die Troika und das Grenzregime auf die Beine kommt. Insofern kann bei der verspäteten Eröffnung des neuen Turms der Europäischen Zentralbank am 18.3. in Frankfurt nun von einem nahezu perfekten Timing gesprochen werden. Die Vorbereitungen für Blockaden und eine Großdemo in der Rhein-Main-Metropole laufen auf Hochtouren, um ein radikales Zeichen der europaweiten transnationalen Solidarität zu setzen. Noborder goes Blockupy – die antirassistische Beteiligung am Krisenprotest soll deshalb dieses Mal möglichst stärker ausfallen, ganz im Sinne des Slogans der aktuellen Mobilisierung: Achtzehn-Null-Drei, nimm dir frei!

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 36 -_Februar 2015 (pdf)

Antira-Kompass Nr. 35 – Januar 2015

Am 7.1. in Dessau – Oury Jalloh-Demo +++ Am 20.1. in München – Aktionstag zum NSU-Prozess – Keupstrasse ist überall +++ Am 31.1. in Hamburg – „Never mind the papers“ Demo +++ Vom 4. – 8.2 .in Berlin – transnationale Aktionstage gegen den Krieg gegen MigrantInnen +++ Fortsetzung der Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze +++ Kampagne gegen das Asylbewerberleistungsgesetz +++ Harte Zeiten und rechte Mobilisierungen in Berlin +++ Ausblicke: am 18.3. in Frankfurt zu Blockupy, ab 24.3. zum Weltsozialforum in Tunis …

Liebe FreundInnen und Freunde!

Der Jahreswechsel stand nicht nur faktisch – wie bereits im letzten Jahr -sondern auch massenmedial ganz im Zeichen der Ankünfte und Aufnahme von Flüchtlingen. Keine Tageschau ohne dieses Thema, und das im Spannnungsfeld zwischen neuen Bootsdramen und (Reaktionen auf) Pegida. Dazu hatten wir bereits im Dezember-Newsletter einige Einschätzungen formuliert und einen bilanzierenden Rückblick auf 2014 mit einem ersten Ausblick auf Chancen und Herausforderungen für 2015 kombiniert.

Einige ergänzende Bemerkungen zum Jahresanfang: „Nach Angaben des italienischen Innenministerium erreichten vom 1. Januar bis zum 17. Dezember 167.462 Flüchtlinge Italien über das Meer. Das sind im Schnitt 477 pro Tag.“ Das bleibt einmalig für das zentrale Mittelmeer und bis in den Dezember hinein hatten die italienischen Behörden Rettungseinsätze bis weit in libysches Gewässer hinein angeordnet. Daraufhin forderte „am 9. Dezember 2014 Klaus Rösler als einer der Spitzenchefs von Frontex international, und insbesondere an die italienische Regierung gerichtet, Boat-people außerhalb der 30-Meilen-Küstenzone Italiens nicht mehr zu Hilfe zu eilen, wenn sie SOS-Rufe absetzen. Rhetorisch verweist er auf die Verantwortung der libyschen Küstenwache, die es aber bekanntermassen aufgrund neuer kriegerischer Konflikte seit Monaten nicht mehr gibt. Mit anderen Worten: Klaus Rösler hat von höchster Stelle einer EU-Agentur am 9. Dezember 2014 dazu aufgerufen, Menschen massenhaft sterben zu lassen“, siehe
http://ffm-online.org/2014/12/15/ertrinkenlassen-der-aufhaltsame-aufstieg-von-frontex-roesler/

Vor diesem Hintergrund erscheint eine aktualisierte Frontex-Kampagne dringend erforderlich und angesichts der kritischen öffentlichen Stimmung auch möglich, um diese tödliche Abschreckungspolitik, vorangetrieben vom deutschen Frontex-Chef, zu denunzieren und zurückzudrängen. Es ist der pure Hohn, wenn ausgerechnet Frontex Anfang Januar 2015 den professionellen Fluchthelfern einen „neuen Grad der Grausamkeit“ vorwirft, weil bei mehreren großen Flüchtlingsbooten die Crew das Schiff verlassen hatte, um ihrer Kriminalisierung zu entgehen. Zweifellos agieren skrupellose Geschäftemacher im teuren Handel mit der Flucht übers Mittelmeer, doch machen wir immer wieder deutlich: der tausendfache Tod auf See ist ein Produkt des EU-Grenzregime, diese „Schande Europas“ inklusive aller Geschäfte mit riskanten Seepassagen könnte morgen Geschichte sein, wenn Flüchtlinge und MigrantInnen sich gewöhnliche Fähr- und Flugtickets kaufen und damit so sicher und kostengünstig wie Touristen reisen könnten. Das barbarische Visums- und Grenzregime muss und kann sofort abgeschafft werden!

Über 11.000 Boatpeople sind 2014 in der Ägäis allein auf Lesbos angelandet, ebenfalls eine Rekordzahl. Und in den marokkanischen Enklaven Ceuta und Melilla endete 2014 so, wie es angefangen hatte: mit weiteren Massenstürmen auf die Zaunanlagen, siehe die Chronik am Ende dieses Berichtes: https://beatingborders.wordpress.com/2014/12/31/as-2014-ends-more-migrants-overcome-the-obstacles-to-arrive-in-europe/

Die EU-Außengrenze ist und bleibt an allen südlichen Brennpunkten umkämpft wie nie zuvor, und die transnationalen Aktionstage vom 4. bis 8. Februar in Berlin (siehe unten) bieten eine erste Gelegenheit zu Anfang des Jahres, diese Kämpfe von hier aus aufzugreifen und weitere Verabredungen zu treffen. Das bundesweite sowie transnationale Potential antirassistischer Bewegung erscheint vielfältiger und stärker denn je, doch es fehlt nach wie vor an verbindlichen übergreifenden Strukturen, die in der Lage wären, konkrete Durchsetzungsstrategien zu entwickeln. Darauf wird es aber ankommen in den nächsten Monaten, um sowohl im Kampf gegen die äußeren wie auch gegen die inneren Grenzen neue Dynamiken zu entfachen. Genannt sei zu letzterem insbesondere die Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze (siehe Bericht unten), in der eine Fokussierung auf die Bekämpfung der neuerlichen Ausweitung des Abschiebehaftregime vorgeschlagen wird. Denn, wie im Dezember-Newsletter bereits ausgeführt, ist die faktische Aushebelung der Abschiebehaft als Kriminalisierungs- und Erpressungsinstrument gegenüber Geflüchteten einer der großen Erfolge der Bewegung in 2014, ein Meilenstein im Kampf gegen die inneren Grenzen, der unbedingt gehalten werden muss.

Doch es besteht die Gefahr, dass die Hardliner aus den Innenministerien sozusagen im Windschatten der Pegida-Debatte – in einer Mischung aus vermeintlicher Abgrenzung von und angeblicher „Beruhigung“ des rechten Mobs – die Verschärfungen entsprechend des vorliegenden Kabinettsentwurfes durchziehen. Es bleiben noch wenige Monate, um diese Planungen zu durchkreuzen, und mit der anhaltend breiten kritischen Öffentlichkeit sowie dem Potential unserer Bewegung haben wir eine gute Chance. Nutzen wir sie!
In diesem Sinne wünschen wir ein gutes neues Jahr.

P.S.: Im Nachtrag noch der Link zum lesenswerten „Weihnachtsgruß von 89ern“ – 25 Jahre nach dem Mauerfall – PEGIDA – Nie wieda! Siehe http://www.taz.de/!151748/

Beste Grüße,
die Kompass-Crew

Antira-Kompass-Newsletter Nr. 35 – Januar 2015 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 34 – Dezember 2014

+++ Neue Zeitung von Afrique-Europe-Interact +++ 18.12. in Calais und Tunis +++ Chronologie vielfältiger Proteste im November und Dezember +++ Rückschau 2014 +++ Kampagne gegen Verschärfung der Asylgesetze +++ Hungerstreiks von Flüchtlingen in Griechenland +++ Alarm Phone: erste Zwischenbilanz +++ Ausblicke für 2015: 7.1. in Dessau, 6.2. in Berlin, 18.3. in Frankfurt, Ende März zum WSF in Tunis … +++


Liebe Freundinnen und Freunde!

Wäre unser Newsletter wie gewohnt Anfang des Monats erschienen, hätten wir die vielfältigen Aktionen der letzten Tage zwar noch knapp ankündigen, aber kaum mehr mobilisieren können. Deshalb haben wir kurzerhand entschieden, ausnahmsweise ein paar Tage später herauszukommen und einen erweiterten Rückblick vorzunehmen: auf die letzten Wochen und auf die vergangenen Monate. Zum Jahresende bietet sich der Versuch einer Bilanzierung und Einschätzung an, auch um damit Herausforderungen und mögliche Perspektiven für 2015 zu skizzieren. Entsprechend fällt unsere Einleitung dieses Mal etwas ausführlicher aus, zumal wir noch ein paar Zeilen in eigener Sache anhängen wollen.

Doch der Reihe nach:

* Kaum ein Tag ohne Protest und Widerstand gegen das herrschende Grenzregime: Die letzten Wochen sind erneut von einer beeindruckenden Kette antirassistischer Aktivitäten geprägt, und nicht selten sorgen sie für massenmediale Schlagzeilen. Die Spannbreite reicht von der Künstleraktion des ersten Europäischen Mauerfalls in Berlin bis zum Hungerstreik der Non-Citizens in München, von der Demo gegen die IMK in Köln bis zum ausdauernden Protestcamp der sudanesischen Geflüchteten in Hannover, von der kurzfristig gestarteten Kampagne gegen die Verschärfung der Asylgesetze bis zu den erfolgreichen Kirchenasylen bei Lampedusa in Hanau. Symbolischer Protest und alltäglicher Widerstand attackieren auf unterschiedlichen Ebenen die herrschende Flüchtlings- und Migrationspolitik, nicht nur in Germany. Ein internationales Treffen von Sans Papieres und MigrantInnen in Rom, Hungerstreiks in Griechenland und einen Zwischenbericht des transnationalen Projektes des Alarmphones haben wir beispielhaft in die lange Liste der Kurzberichte und Links unten aufgenommen.

* Es war ein sehr bewegtes und bewegendes Jahr. Die zahlreichen Aktivitäten im November und Dezember spiegeln wieder, was das gesamte Jahr 2014 geprägt hat: die inneren wie äußeren Grenzen der EU sind umkämpfter denn je, die sozialen und politischen Kämpfe der Migrationsbewegungen haben sich enorm verdichtet. Eine Bilanzierung muss gleichwohl widersprüchlich ausfallen, das Gesamtbild ist mehr als komplex.

Einerseits haben es weitaus mehr Refugees and Migrants nach Europa
geschafft als in den Vorjahren, aller Frontex-koordinierten Hochrüstung zum Trotz. Zumindest in Deutschland haben sich die Selbstorganisierungsprozesse der Geflüchteten vielerorts weiter entwickelt, und die Unterstützung ist gewachsen, von radikalen AktivistInnen bis hin zu bürgerlichen HelferInnenkreisen. Es gibt spürbare Erfolge: Zahllose Dublin-Abschiebungen wurden gestoppt, per
Gerichtsentscheidungen, mit Kirchenasylen, durch Blockaden und Proteste oder noch last minute im Flugzeug. Und der vielleicht eindeutigste Beleg: nur noch ca. 30 Asylsuchende saßen Mitte November deutschlandweit in Abschiebehaft. Früher waren es Tausende, noch nie war die Zahl so gering und die Waffe der Abschreckungs- und Erpressungshaft so stumpf wie heute.
Dazu beigetragen hat die gewachsene kritische Öffentlichkeit, seit Oktober 2013 wird die herrschende Flüchtlingspolitik selbst in Massenmedien immer wieder grundlegend in Frage gestellt. Aktuellste Beispiele: Selbst die Kriminalisierung der Fluchthilfe wurde in einem außergewöhnlichen Panorama-Bericht kritisiert, und „Die Anstalt“ brach nach einer brillanten Vorführung der tödlichen Frontex-Abschottung am Ende der Sendung gar mit dem Format des Kabarett und ließ einen syrischen Flüchtlingschor singen.

Andererseits: Die brutale staatliche Gewalt an den Außengrenzen, insbesondere in der Ägäis und an den Zäunen von Ceuta und Melilla, ist mitnichten gebremst, die Zahl der Toten im zentralen Mittelmeer ist so hoch wie nie zuvor. In Deutschland schüren die Herschenden mit der Ausweitung der „sicheren Herkunftsländer“ auf die Balkanstaaten und dem staatlichen Diskurs der Armutsmigration die Spaltung zwischen berechtigten „guten“ und unberechtigten „schlechten“ Flüchtlingen. Und der aktuelle Kabinettsbeschluss der großen Koalition zielt auf die Ausweitung der Abschiebehaft und auf strikte Wiedereinreisesperren, um die Abschreckung erneut hochzufahren. Dazu kommt die wachsende Mobilisierung von rechts. Die Wahlerfolge der AfD stehen für den verbreiteten Sarrazynismus, und mit Hogesa („Hooligans gegen  Salafisten“) und Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) traut sich der Mob wieder auf die Straße.

Die gesellschaftliche Polarisierung ist seit Monaten immer massiver zu spüren: während weitaus mehr Menschen ihr abstraktes Mitgefühl in konkrete Unterstützung zu verwandeln suchen, formiert sich von rechts eine Mischung aus Xenophobie und dem Hass auf das Andere. Diese Polarisierung erscheint als Herausforderung und Chance zugleich: denn das notwendige Zurückdrängen der rassistischen Montagsdemos bliebe reaktiv und defensiv, sofern nicht gleichzeitig das oben erwähnte, geplante repressive Gesetzespaket in den nächsten Wochen in die Zange genommen und – wenn nicht verhindert – so doch zumindest entschärft wird.
Die kritische Öffentlichkeit wäre gegeben, die potentielle Stärke der Bewegung ebenfalls. Doch das aktivistische AntiRa-Spektrum scheint zu gemeinsamer Koordinierung oder gar Fokussierung bislang nicht in der Lage. Entsprechende Bemühungen, sei es bei Noborder last forever in Frankfurt im Februar, beim Marsch nach Brüssel im Juni oder beim 20. Geburtstag von Voice in Jena im Oktober, fruchteten (noch) nicht. Wie die Vielfalt in effektivere Durchsetzungsstrategien zu übersetzen wäre, bleibt insofern eine der zentralen Herausforderungen für 2015.

Die zweite liegt in der Verknüpfung und Verbreiterung in und mit weiteren sozialen und gesellschaftlichen Fragen. Auch hier gibt es gute Ansätze. Ob von afrique-europe-interact zur Frage des Landraubs, ob in aktuellen Solidaritätsdemos zu Rojava oder ob zu Krise, prekärer Arbeit und sozialem Streik mit Blockupy – es gibt zahlreiche Verbindungslinien, die gegenseitig zu (ver)stärken wären, um in und mit den Kämpfen für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte eine übergreifende emanzipatorischen Perspektive weiter zu entwickeln.

* Schließlich noch ein paar Sätze in eigener Sache: Unser Newsletter erscheint jetzt bald drei Jahre immer zum Monatsanfang und seit einigen Ausgaben auch jeweils in englisch und französisch. Die Übersetzungen hinken meistens ein paar Tage nach, aber Dreisprachigkeit halten wir für eine Voraussetzung, dass sich potentiell auch Refugees und Migrants an diesem Austausch- und Überblicksprojekt stärker beteiligen. Doch die Frage der breiteren Beteiligung stellt sich nach wie vor grundsätzlicher. Wir erhalten zwar einigen Zuspruch und viele halten den Ansatz eines regelmäßigen, spektren-übergreifenden Newsletters für gut und wichtig.
Doch bislang sind wir als Produktionsteam im engen Kreis geblieben, und den Berichten oder Ankündigungen müssen wir meistens hinterherlaufen. Stattdessen benötigen wir Aktive aus allen Spektren, die uns selbstständig kurze Texte und Hinweise zuschicken, die sich an den Übersetzungen beteiligen oder beim Layout mitwirken. Es wäre uns das liebste Geschenk zum dreijährigen Geburtstag im März, wenn sich ein paar mehr Leute finden würden, die das Kompass-Newsletter-Projekt kontinuierlich unterstützen.

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Kompass Newsletter Nr. 34 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 33 – November 2014

+++ 4.11.: Soli-Aktionen gegen Push-Backs in Melilla +++ Boza: Film zu Marokko und March for Freedom +++ 20. – 23.11.: Blockupy-Festival in Frankfurt +++ Ab 28.11.: Anti-Isolation-Tour durch Baden-Württemberg +++ Kampagne gegen Asylrechtsverschärfungen +++ Infos zu Oury Jalloh und Choucha +++ Rückblick – Flüchtlingskämpfe, Proteste gegen Abschiebungen, Alarm Phone in Hamburg, Berlin, Hannover, Darmstadt, Bremen +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

dass 2014 als ein historisches Jahr der Kämpfe um das Recht auf Bewegungsfreiheit einschätzen ist, zeigt sich in den letzten Wochen einmal mehr im gesamten Mittelmeerraum und besonders eindrücklich zwischen Marokko und Spanien. Die Zaunkämpfe in Melilla gehen unvermindert weiter, trotz und gegen die brutale Gewalt der spanischen Grenzpolizei. Hier ein aktueller Link zu einem kurzen beeindruckenden Video: http://www.20minutos.tv/videoplayerjw/ipGQZ359/a/
Und in diesem Kontext wird es am 4. November parallele Protestaktionen in Rabat und Berlin geben (s.u.). Mit „Boza“ wird in diesem Newsletter zudem der sehr sehenswerte Film eines tunesischen Aktivisten vorgestellt, der den Bogen aus den marokkanischen Wäldern bis zum Protestmarsch von Strasbourg nach Brüssel spannt. Neben Hinweisen auf das Blockupyfestival, auf eine Anti-Isolation-Tour, neuen Informationen zu Oury Jalloh und Choucha sowie zur anlaufenden Kampagne gegen die geplanten Verschärfungen der Asylgesetze haben wir dieses Mal noch einen kleinen Rückblick auf Proteste und selbstorganisierte Aktivitäten in mehreren Städten zusammengestellt.

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew
Kontakt: kompass-notify@antira.info

Kompass-Newsletter Nr. 33 – November 2014 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 32 – Oktober 2014

+++ Gedenk- und Protestaktionen zum Lampedusa Jahrestag +++ „Watch The Med Alarm Phone“ ab 10.10. am Start +++ Lampedusa In HH: Emancipation Days am 10./11.10 +++ AntiRa-Konferenz in Stuttgart am 18.10. +++ Aktuelles aus Tanger/Marokko +++ Bericht zum bundesweiten Treffen zu EU-Arbeitsmigration in München +++ Blockupy-Festival im November in Frankfurt +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

In diesen Tagen vermischen sich neue Schreckensmeldungen aus dem Mittelmeer mit dem Gedenken an den 3. Oktober 2013 vor Lampedusa: der Tod auf See nimmt kein Ende. Auch wenn in einem aktuellen Fall vermutlich mafioti¬sche Strukturen einen Massenmord zu verantworten haben, das alles ist nur möglich vor dem Hintergrund eines EU-Grenz- und Visa-Regimes, das Flüchtlinge und Migrantinnen auf diese gefährlichen Routen zwingt. Und was wir im letzten Newsletter bereits formuliert hatten, ist mittlerweile aus offiziellen Dokumenten amtlich: „Frontex plus“ im zentralen Mittel-meer zielt bewusst auf weniger Rettung und damit auf mehr Sterben-Lassen.

alarmphoneIn vielen Städten finden Anfang Oktober Gedenkveranstaltungen statt, oder auch Protestaktionen gegen die hiesige Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik (siehe unten). Und wie ebenfalls in unserer Septemberausgabe schon vorgestellt, startet ab 10. Oktober das „Watch The Med Alarm-Phone“. Es ist der ambitionierte Versuch, mit einer neuen transnationalen Alltagsstruktur in Echtzeit in das Unrecht auf See zu intervenieren (auch dazu unten mehr).

Schließlich finden sich in diesem Newsletter ein kurzer Bericht über das bundesweite Treffen zu EU-Arbeitsmigration in München sowie die erste Einladung zum Blockupy Festival im November in Frankfurt.
Beides steht hier auch für das Bemühen und die Notwendigkeit, die Kämpfe um Flucht und Migration immer wieder mit den gesamtgesellschaftlichen Auseinan-dersetzungen zu verbinden…

mit besten Grüßen,
die Kompass-Crew

Newsletter Nr. 32 – Octobre 2014 (pdf)

Kompass-Newsletter Nr. 31 – September 2014

+++ Von Mare Nostrum zu Frontex Plus +++ „Watch The Med Alarm Phone“ in Vorbereitung +++ vom 1.-5.10. in Jena: 20 Jahre Voice Refugee Forum +++ 12.-14.9. in Hamburg: Europa der Kommenden +++ 20./21.9. in München: Bundesweites Treffen zu EU-Arbeitsmigration +++ Blockupy-Treffen in Frankfurt (14.9.) und in Brüssel (26.9.) +++ Rückblick August: w2eu und JoG auf Lesbos +++ Vorankündigung Oktober: Ba-Wü-AntiRa-Konferenz in Stuttgart +++

Liebe Freundinnen und Freunde!

Über 100.000 Boatpeople sind mittlerweile über das zentrale Mittelmeer in Italien angelandet, zumeist abgefangen oder gerettet durch „Mare Nostrum“. Diese ambivalente Seerettungsoperation war wiederholt ein Thema in unserem Newsletter und unlängst wurde dazu ein Thesenpapier veröffentlicht, das wir hiermit nochmal ausdrücklich empfehlen:

http://afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=1193&clang=0

„Frontex Plus“ heißt nun die neue Zauberformel, durch die Mare Nostrum bis Ende November abgelöst werden soll. Und dass ausgerechnet die Grenzschutzagentur Frontex – treffend als „mobiler Stacheldraht der EU“ bezeichnet – das Kommando übernehmen soll, macht deutlich, worauf die EU-Migrationspolitik abzielt: weniger Rettung und mehr Sterben-Lassen (mehr dazu unten). Umso wichtiger, dass öffentliche Kritik und praktischer Widerstand gegen das tödliche Grenzregime nicht nachlassen. Rund um den 3. Oktober, dem ersten Jahrestag der Lampedusa-„Tragödie“, sind vielfältige Aktivitäten in Planung, und besonders ambitioniert erscheint der Versuch, ab Oktober ein alternatives Alarmsystem für den Mittelmeerraum einzurichten (siehe Beitrag im Newsletter unten).

Im gleichen Zeitraum, vom 1. bis 5. Oktober findet in Jena eine Jubiläumskonferenz statt: 20 Jahre The Voice Refugee Forum. The Voice hat vor 20 Jahren die ersten Spuren des Widerstandes von Flüchtlingen in Deutschland gelegt und seitdem Erfahrungen der Selbstorganisierung verbreitet – beispielhaft seit 2000 im zivilen Ungehorsam gegen die Residenzpflicht -, ohne die die heutige Vielfalt der Kämpfe der Geflüchteten kaum denkbar wäre (im Newsletter mehr und insbesondere ein Spendenaufruf zur Durchführung der Konferenz).

Ansonsten in diesem Newsletter ein kurzer Rückblick auf das beeindruckende „Back-to-the-borders-II“-Projekt auf Lesbos im August sowie Ankündigungen zu mehreren Arbeitstreffen und Festivals. Zur weiteren Entwicklung der Proteste und Kämpfe in Berlin, Hamburg, Hannover, Rhein-Main… bitte die Links und Verweise aus den letzten Newslettern verfolgen.

mit besten Grüßen,

die Kompass-Crew

Kompass-Newsletter Nr. 31, September 2014 (pdf)